Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
haben, wenn nicht unser großes Ziel gefährdet wäre!“
Wieder legte Kustow eine Kunstpause ein, diesmal, um die Reaktion des Botschafters einschätzen zu können. Dessen Interesse schien zumindest soweit geweckt, daß die Diskussion dieses heiklen Themas nicht abgebrochen werden mußte. „Das müssen Sie schon erläutern!“
Kustow verbarg seine Erleichterung. Betont sachlich kam er zur Sache. „Das Minarett stand über dem Zugang zu einem unterirdischen Bewässerungskanal, über den wir bisher in den Berg gelangten. Sollte das Minarett wieder aufgebaut werden, ist die Gefahr groß, daß man die unterirdische Produktionsstätte entdeckt. Das ist jedoch nicht alles! Unsere Experten befürchten, daß das Minarett eine Kaminfunktion hat. Es könne nicht ausgeschloßen werden, daß hierüber mit radioaktivem Feinstaub belastete Luft aus dem Berg in das Umland gelangt. Das Projekt würde in diesem Fall in den Augen Gläubiger Schaden erleiden. Wir benötigen, wollen wir den bevorstehenden global auszutragenden Dschihad erfolgreich bestehen, jedoch die uneingeschränkte Unterstützung aller Gläubigen!“
Der Botschafter hatte aufmerksam zugehört. Er wußte, daß er gefordert war, noch an diesem Tisch eine Entscheidung zu treffen. Was er hörte, war beunruhigend. Aber war es Anlaß genug, die Wiedererrichtung einer Moschee zu verhindern? „Gibt es konkrete Baupläne?“
Kustow verneinte. „Sie soll in ihren Ursprungszustand zurückversetzt werden, so informierten uns jedenfalls unsere Quellen in Islamabad. Über deren Zuverlässigkeit brauche ich Ihnen nicht zu berichten.“
Der Botschafter lächelte. „Wir werden der Stiftung untersagen, den Zugang in das Kanalsystem zu reaktivieren. Wir werden das schon zu begründen wissen. Vielleicht sollte die Moschee an einem anderen Ort gebaut werden. Dann befände sie sich nicht innerhalb des militärischen Sperrgebietes.“
Kustow schüttelte den Kopf. „Die Moschee bildet eine bauliche Einheit mit der dortigen Koranschule, dies schon seit Generationen. Weltweit anerkannte Gelehrte waren dort tätig. Wir würden einen Aufruhr riskieren.“
Der Botschafter winkte ab. „Schon gut! Dann bleibt es dabei – wir untersagen der Stiftung, den Zugang zu dem Karaiz zu reaktivieren. Wer steht überhaupt hinter der Stiftung? Weiß man das?“
Kustow nickte. „Muhammad Saeed, ein pensionierter General.“
„Wie bitte? Sagen Sie das noch ‘mal!“ Der Botschafter wurde blaß.
21. August, 21:35 Uhr Ortszeit; Ramstein Air Base, Bahntrasse, östlicher Sektor
Sander spürte durch einen Vorhang sich allmählich lichtenden Nebels, wie dumpf pochender Schmerz ihn in die Wirklichkeit zurückholte. Es war das Innere seines Schädels, das im Gleichklang mit seinem Puls von einem an- und abschwellenden quälenden Druck gemartert wurde. Er berührte unbewußt Stirn- und Augenbrauenpartie seines geschundenen Gesichts, um im selben Moment – von Schmerz gepeinigt – zurückzuzucken. Auch sein Kreuz schien mächtig lädiert. War dies noch eine Folge von Canons Schulterwurf? Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er rücklings auf unebenem Untergrund lag, beinhart, in höchstem Maße unbequem. Er wollte zur Entlastung des gemarterten Rückens seine Lage ändern, doch da durchfuhr ihn ein stechender Schmerz in der linken Ferse. Was, zum Teufel, war geschehen?
Zögerlich öffnete er die Augen, als fürchte sein Unterbewußtsein den Anblick der ihn umgebenden Szenerie. Es war tiefe Nacht, er blickte geradewegs in das funkelnd durchwirkte Schwarzblau des hochsommerlichen Sternenhimmels. Der höllische Schmerz in seinem Schädel hinderte ihn daran, einen klaren Gedanken zu fassen. Es brauchte eine Weile, bis er begriff, daß er zwischen Eisenbahnschienen lag. Es war das scharfkantige Relief aus Schwellen und Schotter, das seinen Rücken marterte. Offensichtlich hatte er schon eine ganze Weile so gelegen. Er versuchte sich zu konzentrieren, sich die letzten Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Ungeordnete Fragmente alptraumhafter Bildsequenzen durchrissen da und dort den Schleier der Bewußtlosigkeit, die sich Weg bahnende Erinnerung löste gleichermaßen Angst und Ekel aus. Da war plötzlich wieder der Zug, der dröhnend über ihn hinweg polterte, die Todesangst, die er empfand, als das unter der Last ächzende Räderwerk den Untergrund zum Beben brachte, die tödliche Enge ihm den Atem nahm. Plötzlich erinnerte er sich an den Fremden, wie er sich über die Schiene rollte, versuchte,
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