Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
des Fluges und die Bremsverzögerung seine Knie gegen den Sitz des Vordermannes drückte. Er mußte kurze Zeit geschlafen haben. Die abnehmende Frequenz der Dehnfugenschläge signalisierte ihm, daß die Maschine bereits ausrollte. Er blickte nach links. Auch Sander und Double H schienen gerade erst aufgewacht zu sein. Sie grüßten sich mit knappem Kopfnicken. Die Maschine verließ die Landebahn und beschrieb einen weiten Bogen über das ausgedehnte Vorfeld. Vorbei an abgestellten Maschinen, überwiegend TU-134 und 154 sowie wenige IL-62, rollte sie gemächlich eine endlos scheinende Strecke zu einer Außenposition. Dort kam sie mit einem Ruck zum Stehen. Die Motoren wurden nach einer Weile heruntergefahren. Nichts tat sich, alles blieb sitzen. Es herrschte unwirkliche Stille in der Kabine, unterbrochen vom Knistern der abkühlenden Motoren.
Plötzlich wurde die Tür zum Cockpit aufgestoßen. Heraus traten nacheinander die beiden Piloten. Der Copilot entriegelte die Bordtür, öffnete sie halb und wies draußen jemanden an, die Treppe anzulegen. Der Pilot kramte inzwischen ein Handy aus der Brusttasche. Während der Pilot ein angeregtes Telefongespräch führte, erblickte Cannon hinter dessen Rücken drei weitere Personen, die sich während des Fluges im Cockpit befunden haben mußten. Die Gangway wurde herangerückt; der Copilot versperrte den Gang, bis der Pilot und die drei Cockpit-Insassen, vermutlich dessen Verwandte, die Maschine verlassen hatten. Dann stieg auch er aus. Augenblicklich ging ein Ruck durch die Passagiere. Gleichzeitig schoben sie sich in den Gang, grabschten nach ihren Siebensachen und drängelten Richtung Ausgang. Double H bedeutete Sander und Cannon, sitzenzubleiben. „Das bringt nichts, höchstens Benzinflecken an der Hose und ‘nen Angelhaken im Hintern! Auf die paar Minuten kommt es nicht an.“
Sie warteten mit dem Aussteigen, bis sich das Gedränge im Gang gelichtet hatte. Cannon war nicht wenig erstaunt, als er auf dem Vorfeld erkannte, daß ihre Parkposition mindestens 400 Meter vom Empfangsgebäude entfernt war. Ein Shuttle Service stand nicht zur Verfügung, also schlossen sie sich der weit auseinandergezogenen Kette der vor ihnen ausgestiegenen Passagiere an. Sander fluchte wie ein Rohrspatz und kündigte die sofortige Demontage seiner Schiene an, sobald sich hierzu Gelegenheit böte. Während des Marsches hörte Cannon in seinem Rücken, daß Double H mit jemandem telefonierte.
Das Chaos in der kleinen Halle des inländischen Terminals war unbeschreiblich. Hier zeigte sich beeindruckend, daß Rußland ein Vielvölkerstaat war. „Zusammenbleiben, auf Taschen und Gepäck achten und unmittelbar hinter dem Ausgang links halten!“ übertönte Double H schreiend den Lärm. Sie ließen sich von dem Gewühl nach draußen treiben und wandten sich, wie angeordnet, nach links. Double H schloß zu ihnen auf, ließ den Blick kreisen und hob plötzlich die Hand. Mit kreisenden Bewegungen machte er irgend jemanden auf sich aufmerksam.
Ein VW-Bus umkurvte in rascher Fahrt den Parkplatz. Ohne Rücksicht scheuchte er das aus der Halle strömende, scheinbar orientierungslos sich über den Vorplatz ergießende Vielvölkergemisch auseinander, um mit knirschenden Bremsen unmittelbar vor ihnen anzuhalten. Der Fahrer, ein durchtrainierter Endzwanziger mittlerer Größe, sprang heraus, umkurvte den Vorderwagen und öffnete die Schiebetür. Erst jetzt begrüßte er Double H mit unverhohlener Herzlichkeit. Die beiden verstanden sich, das merkte man sofort. Er nahm ihnen das Gepäck ab, bugsierte es auf die Hinterbank und lud sie mit einer unmißverständlichen Geste ein, auf den Sitzen der zweiten Reihe Platz zu nehmen. Hierbei strahlte er die Fremden mit entwaffnender, nichts als Sympathie auslösender Offenheit an, wie dies nur Sibirern gelingt. Alles erfolgte routiniert, mit beeindruckender Schnelligkeit. Ehe sie sich versahen, hatten sie den Parkplatz bereits umkurvt und die Landstraße nach Nowokusnezk erreicht.
„Das ist Boris.“ Double H hatte sich auf dem Beifahrersitz schräg gesetzt und die erste sich bietende Gelegenheit wahrgenommen, seinen Kollegen vorzustellen. „Er gehört zu uns, ihr könnt ihm uneingeschränkt vertrauen. Er leitet die heutige Aktion, sollte es tatsächlich eine werden. Ich werde mir von ihm die Lage in russischer Sprache erläutern lassen und euch anschließend informieren. Sein Englisch ist zwar gar nicht so schlecht, aber bei Aktionen wollen wir das Risiko eines
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