Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Mißverständnisses grundsätzlich ausschließen.“ Er forderte Boris auf, zu berichten. Sander, der bisher eher abwesend wirkte, sich offensichtlich an seine früheren Reisen nach Nowokusnezk zu erinnern versuchte, gab sich Mühe, das eine oder andere des Berichts zu verstehen. Igor spielte darin eine Rolle, ein Park, ein Theater, die Zeit ‚acht Uhr‘ und ein roter Bus. Ein eher dürftiges Ergebnis, zumal nur der rote Bus eine Neuigkeit darstellte. Er war neugierig zu erfahren, was es mit diesem Bus auf sich hätte.
Die Erklärung ließ nicht lange auf sich warten. Double H hatte sich in seinem Sitz wieder nach hinten gewandt und lieferte die angekündigte Zusammenfassung. „Es gibt insofern eine neue Situation, daß wir nicht alleine sind. Euer Russe wird seit seiner Rückkehr vom FSB beschattet. Dem FSB ist hierbei offensichtlich aufgefallen, daß er sich jeden zweiten Tag zur gleichen Uhrzeit vor einem Lichtspieltheater einfindet, ohne sich dort bisher mit jemandem getroffen zu haben. Dem FSB ist klar, daß es sich um eine vereinbarte Prozedur handelt, und ist natürlich neugierig zu erfahren, wen euer Russe dort zu treffen hofft. Jedenfalls steht an jedem geraden Kalendertag stets zur fraglichen Zeit derselbe Kleinbus vor besagtem Gebäude. Hierauf ist nachher zu achten! Es handelt sich um einen roten UAZ. Wir müssen davon ausgehen, daß wir entweder aus diesem Bus angegriffen oder von ihm verfolgt werden. Einen Angriff halte ich für eher unwahrscheinlich, da wir zu viert, zählt man euren Russen hinzu, zu fünft sind. Das macht zu viel Aufsehen. Also wird man uns verfolgen und unterwegs Verstärkung anfordern. Sobald wir auf die Landstraße zum Flughafen einbiegen, wissen die unser Ziel. Auf der Strecke zum Flughafen eignen sich etliche Stellen zur Einrichtung nicht umfahrbarer Straßensperren.“ Er unterbrach seinen Vortrag. „Soweit alles klar?“
Natürlich war es Cannon, der eine Anmerkung nicht unterlassen konnte. „Sind die so naiv oder tun die nur so? Immer den selben Bus zu nehmen, immer den selben Standort, das muß ja auffallen!“
Double H lächelte, und dieses Lächeln sagte Cannon, daß er besser daran getan hätte, auch diese Einwendung zu unterdrücken. Nun war es zu spät, und so ärgerte er sich wieder einmal über sich selbst. Double H gönnte ihm diesen Moment stummer Selbstkritik, bevor er auf die Bemerkung einging: „Vermutlich will man auffallen. Man will permanent Druck ausüben, signalisieren: ‚Schau, wir sind schon da! Verhalte dich entsprechend!‘ Euren Russen haben sie unter Kontrolle; nicht er, sondern die Kontaktperson ist das Ziel dieses Aktionismus! Ihnen ist klar, daß zwischen eurem Russen und dieser Person keine Kommunikationsmöglichkeit besteht. Könnte er die Person warnen, ginge er nicht regelmäßig zum vereinbarten Treffpunkt. Sie brauchen dort nur zu warten – irgendwann wird die Kontaktperson schon auftauchen.“
Nun war es an Sander, seinem Vorbehalt Ausdruck zu verleihen: „Aber wo liegt da der Sinn? Die waren doch früher nicht so rücksichtsvoll! Da verschwand man gleich im Gulag oder unter der Erde. Warum dieses Katz- und Mausspiel?“
Double H lockerte ein wenig den Gurt, um sich bequemer zu ihnen hinüber beugen zu können. „Eine Ermordung eures Russen kommt nicht in Betracht, denn dann verlöre die Organisation die Option des Zugriffs auf potentielle Mitwisser. Selbst eine Gefangennahme scheidet solange aus, wie die eventuellen Mitwisser nicht ausgeschaltet sind. Sie müssen davon ausgehen, daß Mitwisser in diesem Falle ihre Kenntnisse preisgeben, beispielsweise die Medien informieren. Die Ziele der Organisation wären gefährdet.“ Er grinste Sander vielsagend an. „Nur ein lebendiger, frei beweglicher Igor – so heißt er doch, wenn ich mich recht erinnere – führt die Organisation zu Ihnen!“
Sander behagte dieser Gesichtspunkt ganz und gar nicht, hielt er es doch für wenig attraktiv, sich der Organisation auszuliefern. Selbst wenn er wollte, er könnte ihr im Gegensatz zu Igor keinerlei verwertbares Fachwissen anbieten. Entsprechend wären seine Überlebenschancen zu bewerten, sollte die bevorstehende Aktion für ihn ungünstig ausgehen. Sein Einwand war eher trotzig als überzeugend. „Er könnte dort auch seine Familie oder vertrauenswürdige Freunde treffen wollen!“
Double H nickte verständnisvoll, doch die Antwort war wenig geeignet, Sander zu beruhigen. „Um ein Treffen mit Freunden zu vereinbaren, treibt man nicht
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