Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Anerkennung. „Jetzt kapier ich, warum Sie vorhin mit diesem Affenzahn zweimal um den Kreisverkehr gerast sind. Ich hatte geglaubt, Sie hätten die Ausfahrt verpaßt!“
Double H grinste. „Das gehört zum Ritual. Hatte ja auch geklappt.“ Er zeigte hoch zur Straße. „Aber inzwischen haben sie uns gefunden.“
Cannon und Sander folgten seinem Blick und entdeckten hinter dicht stehenden Pinien- und Kieferstämmen den silberfarbenen BMW, der versetzt gegenüber dem Lada parkte. „Was sollen wir jetzt tun?“ Cannon blickte Double H sichtlich beunruhigt an.
„Keine Panik! Wir packen zusammen und fahren zurück. Es wird sowieso gleich empfindlich kalt werden. Denkt daran, keine offene Unterhaltung im Haus! Wir können uns morgen im Flugzeug unterhalten. Diese Mühlen sind so laut, da kann niemand mithören.“ Er hatte gerade die letzten Sachen in den Rucksack gepackt, als er eine Idee zu haben schien. „Wir könnten einen Schlenker machen und bei der Universität vorbeifahren. Vor dem Hauptgebäude finden im Sommer internationale Veranstaltungen statt. Verschiedene Länder präsentieren sich dort, ihre Kultur, ihre Besonderheiten, Nationalspeisen, na, alles halt. Ist ganz unterhaltsam, zu trinken gibt‘s auch. Was haltet ihr davon?“
Cannon sah Sander fragend an. Der nickte zustimmend. Was sollten sie so früh in Double H‘s winzigem Wohnzimmer, in dem man sich noch nicht einmal offen unterhalten durfte? „Genehmigt! Das machen wir!“
Sie durchquerten das Wäldchen. Während Double H den Rucksack im Kofferraum verstaute, blickten Cannon und Sander hinüber zu dem BMW. Vorne saßen zwei Gestalten, trotz aufkommender Dämmerung die Augen, aggressiven Insekten ähnelnd, hinter auffällig großen Sonnenbrillen verborgen, unsympathisch, schroffes Abwehrverhalten auslösend. Double H klappte den Kofferraumdeckel zu, bemerkte, wohin die beiden schauten. Er drehte sich um und erblickte die brillenbewehrten Insassen. Er hob jovial die Hand zum Gruße, nickte ihnen mit überzogener Freundlichkeit zu.
Den Männern vom FSB blieb nicht verborgen, daß sie Zielscheibe einer Burleske waren. Sie verzogen keine Mine, taten so, als blickten sie durch die Provokateure hindurch. Double H grinste boshaft. „Schade, wenn Intellekt und Technik so dramatisch auseinander driften. Da haben sie deutsche Fahrzeuge, japanische Kommunikationstechnik, aber in den Köpfen herrscht noch immer tiefstes sibirisches Mittelalter. In St. Petersburg gibt es längst eine neue Generation, in der Sache knallhart, aber im Auftreten wesentlich verbindlicher, gewandter. Es braucht halt alles seine Zeit in dieser Region. Kommt, fahren wir mit ihnen ein bißchen spazieren! Es passiert ja sonst nichts im Akademikerstädtchen.“
24. August, 06:40 Uhr Ortszeit; Anflug auf Nowokusnezk, Westsibirien
Die Antonow 24 gab sich keine Mühe, ihr Alter zu verbergen. Die Zelle ächzte bei jeder noch so unscheinbaren Turbulenz, die Innenausstattung rappelte in unterschiedlichsten Tonlagen, die Klappsitze ließen sich überwiegend nicht verriegeln, etliche Gurte nicht schließen. Die beiden Motoren dröhnten ihr nervendes Lied, es roch nach Kerosin. Double H hatte recht, als er sagte, daß im Flugzeug ihre Gespräche von niemandem abgehört werden könnten. Was er offensichtlich nicht bedacht hatte, war der Tatbestand, daß bei diesem Lärm ein Gespräch sich grundsätzlich erübrigte. Sander, jenseits des Gangs, versuchte es erst gar nicht. Er hatte vermutlich Schmerzen, sprach aber nicht darüber. Cannon hatte ihn vor dem Überfall nie derart schweigsam erlebt. Gleich nach dem Start hatte er sich zur Seite gedreht, das verbliebene nutzbare Auge geschlossen. Sie hatten verstanden: Sander stand für ein Gespräch nicht zur Verfügung.
Cannon war beim Betreten der Maschine sichtlich überrascht, daß diese bis auf den letzten Platz besetzt war. Hatte Double H nicht davon gesprochen, daß er eine Maschine gechartert habe? Cannon beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Er beugte sich nach links, tippte Double H auf den Arm und kämpfte mit erhobener Stimme gegen den Lärm an: „Sie sagten doch, Sie hätten die Maschine gechartert. Wieso ist die so voll?“
Double H lächelte mild ob des amerikanischen Unwissens. Er beugte sich zu Cannon hinüber, schrie mehr, als daß er sprach: „Das sind Verwandte und Freunde der Crew und wiederum deren Verwandte und Freunde. Hat eine Maschine 50 Plätze und du charterst sie für vier Personen, dann mußt du
Weitere Kostenlose Bücher