Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Truppe im Visier hatten – der FPS hatte aus Nowosibirsk gemeldet, daß einer der Amerikaner einen auffälligen Kopfverband trüge! ‚Kundus ...‘, murmelte er in sich hinein, ‚... die wollen über den Khyber-Paß! Sollen sie auf pakistanischer Seite einen heißen Empfang bekommen!‘ Er nahm das Mobilteil und wählte eine vielstellige Nummer. Wieder folgte das bekannte Ritual: Meldung ohne Namensnennung, sekundenlanges Schweigen, Anrede mit Tarnnamen.
„Hallo!“
„Bist du‘s, Idas?“
„Ja.“
„Jason hier. Ich hätte da was für dich ...“
25. August, 05:40 Uhr Ortszeit; Kundus, Afghanistan
Es war eine stürmische, empfindlich kalte Nacht gewesen, zumal zahlreiche Scheiben des Gebäudes zerborsten waren. Sie schälten sich ungelenk aus den Schlafsäcken. Sandiger Staub war in Haaren, Augen und Nasenlöchern, kitzelte in den Ohren, knirschte zwischen den Zähnen; Staub, überall Staub! Feldwebel Bernd hatte sie rüde geweckt und stand in voller Montur vornüber gebeugt in dem Wanddurchbruch, den in besseren Zeiten eine Tür verschloß. „Die Wasserstelle im Hof kennen Sie vom gestrigen Abend. Tee oder Kaffe gibt‘s gleich nebenan. Gegenüber, im ehemaligen Ziegenstall, wartet ein prächtiger Donnerbalken auf Ihren Besuch.“ Er grinste sachkundig. „Geben Sie sich dort Mühe, kann sonst unterwegs riskant werden! Während der ersten Tage rebellieren häufig die Mägen – ziemlich lästig, wenn gleichzeitig der Taliban angreift. Da ist schon so manche Sache mächtig in die Hose gegangen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Sein Grinsen war diabolisch, Mitgefühl war offensichtlich nicht seine Sache. „Aufbruch in zwanzig Minuten!“ Er machte kehrt und verschwand. Das Wesentliche war gesagt.
Sander betastete vorsichtig seinen Schädel. Am Abend zuvor war er geradezu erleichtert, als Oberleutnant Wolf ihm nach dem Abendessen riet, den Kopfverband zu entfernen, um im Schützenpanzer den Helm tragen zu können. Im Hubschrauber hatte er das nicht bewerkstelligt bekommen, war dort auf den Major angewiesen, der die Durchsagen aus der Pilotenkanzel an ihn weitergab. Der Oberleutnant hatte ihn überzeugt, daß aufgrund der Gelände- und Straßenverhältnisse die Verletzungsgefahr im Schützenpanzer ungleich größer einzuschätzen sei. Viel wichtiger noch: Sollte es zu Kampfhandlungen kommen, dann sei es unter Umständen lebensrettend, den Funkverkehr an Bord verfolgen zu können. Auch die Augenbinde empfahl er abzunehmen, sollte die Schwellung inzwischen zurückgegangen und die Sehfähigkeit des Auges zumindest ein wenig wieder hergestellt sein. Diesem Rat war er unmittelbar nach dem Aufstehen gefolgt. Er war angenehm überrascht, als er erkannte, daß sich der Spalt zwischen den Augenlidern schon wieder so weit öffnen ließ, daß er trotz des eingeschränkten Sichtfelds mit dem Auge leidlich gut sehen konnte. Nun ertastete er skeptisch die Beschaffenheit seines Hinterkopfes. Er erschrak, als er die Großflächigkeit der Rasur fühlte, alsdann die Länge der geklebten Platzwunde. ‚Muß ja makaber aussehen!‘ Er fühlte sich irgendwie beobachtet, fuhr herum und sah, daß Cannon und Igor spitzbübisch grinsten. Sie hatten sich das Debakel von hinten angesehen.
Zwanzig Minuten später wurde aufgesessen. Sie saßen verteilt, ein jeder bekam ‚seinen‘ Fuchs. Sander erkannte im Halbdunkel des Kampfraums nur Unteroffizier Dirk, die anderen Soldaten waren ihm fremd. Dirk saß gegenüber, kniff ihm aufmunternd ein Auge zu. Erst jetzt fielen ihm die Unterschiede der am Mann befindlichen Ausrüstung auf. „Helm auf! Anschnallen!“ Der Stabsunteroffizier über ihnen ließ keinen Zweifel aufkommen, wer an Bord das Sagen hatte. „Anwerfen!“ Der Fuchs erzitterte, als der schwere Diesel Drehzahl aufnahm. Sander war noch mit seiner Kopfbedeckung beschäftigt, als sich der Konvoi in Bewegung setzte. Der Helm drückte schmerzhaft auf die Narbe. Er versuchte, den Druck zu verringern, indem er ihn innerhalb des Kinnriemenspiels beidseitig anhob. Das erste Schlagloch verdeutlichte ihm, daß dies ein erfolgloses Unterfangen war. Bald gab er resigniert auf. Er hoffte, daß diese Höllenfahrt irgendwann ein Ende fände. Sie bogen in die Provinzialstraße nach Kabul ein und ließen bald Kundus hinter sich.
25. August, 06:05 Uhr Ortszeit; Baghlan, Afghanistan
Das Satellitentelefon drehte sich mit jedem Klingelzeichen etwas weiter um seine Achse, bis ein Teller dem Bewegungsdrang ein Ende setzte.
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