Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Grenzgebiet‘. Die wollen, daß wir wieder zurückkommen. Also müssen wir uns gedulden, bis sie uns grünes Licht geben. Wüßten die von Ihnen, kämen wir hier nie weg.“ Es schien, als wollte Wolf sie trösten. Er selbst hatte die Ruhe weg. Zumindest gab er den Anschein. Gegen Mittag glaubte Sander allerdings, auch bei dem drahtigen Offizier erste Abnutzungserscheinungen feststellen zu können. Als er ihn spitzbübisch darauf ansprach, reagierte der Oberleutnant so, wie vorgesetzte Militärs gewöhnlich reagieren, wenn man ihnen auf die Füße tritt: Er setzte für die Zivilisten kurzerhand ein Scharfschießen mit dem AK-47 an.
So verbrachten sie den Nachmittag in glühender Hitze in einem verlassenen Steinbruch, dessen Steilhang tiefe Narben aufwies, Folge unzähliger Schießübungen. Da kein Mangel an Munition herrschte, dauerte das Schießen gut und gerne zwei Stunden – so genau wußte das hinterher keiner mehr. Anschließend war Waffenreinigen angesagt. Verschwitzt, wie sie waren, wollten sie gerade die ‚Feldbrause einfach‘ frequentieren, als Wolf den Befehl zum Sammeln gab. Auf einmal mußte alles rasend schnell gehen. „Wir rücken ab. Fahrzeugzuteilung, wie gestern. Wir folgen noch rund 70 Kilometer der Provinzialstraße. Der Übergabepunkt liegt knapp fünf Kilometer hinter der Abzweigung nach Kabul. Dort trennen sich unsere Wege. Die Fuchs fahren mit den Stammbesatzungen unter eigenem Kommando weiter nach Kabul, wir mit dem Bus Richtung Jalalbad und hoch zum Khyber-Paß. Einweisung erfolgt vor Ort. Aufsitzen!“
Nach strapaziöser Fahrt hatten sie ohne Zwischenfall die Kabulebene erreicht und den Übergabepunkt in einem ausgetrockneten Flußarm angesteuert, der nur im Frühjahr von Schmelzwasser durchflossen wurde. Es begann bereits zu dämmern, als sie abgesessen hatten. Die Radpanzer wendeten, binnen weniger Sekunden wurden sie von ihren Staubfahnen verschluckt, als sie sich mit erhöhter Geschwindigkeit Richtung Kabul entfernten. Fast schien es, als hätten sie die Flucht ergriffen. Sander ließ des Blick kreisen, bis er im Osten auf der schwärzlich gezackten Kontur des Hindukusch verharrte. Schlagartig wurde ihm in der Weitläufigkeit dieser einmaligen Mixtur aus Tristesse und Wildheit der Landschaft bewußt, wie winzig doch ihr Häuflein war: Ein Russe, ein Amerikaner, ein Deutscher, eskortiert von einem gerade einmal fünf Mann starken KSK-Trupp, sollten sich durch Feindesland zur irgendwo dort oben gelegenen Paßhöhe durchschlagen! Er schaute hinüber zu Igor und Cannon, glaubte, in ihren Mienen zu erkennen, daß sie den gleichen Gedanken nachhingen. Noch während des Fluges nach Termez fühlten sie sich als Akteure in diesem Ringen der Kräfte, wie sie ungleicher nicht sein konnten, zahlenmäßig unterlegen zwar, aber handelnd. Doch nun fühlten sie sich geradezu winzig, vermutlich zu schwach, sich gegen das Unbekannte zu stemmen.
„Wo ist der Bus?“ Sander wollte auf andere Gedanken kommen, blickte fragend in die Runde. Er bemerkte frustriert, daß man seiner Wißbegierde keinerlei Aufmerksamkeit schenkte. Wolf malträtierte mit energischem Fingerdruck, jedoch erstaunlicher Behendigkeit die Tastatur seines NATO-olivgrünen GPS und gab gleich darauf die Koordinaten an einen unbekannten Empfänger durch. Gleichzeitig schwärmten die anderen sternförmig aus. Sie sicherten den Platz in gut zwanzig Meter Entfernung; sie taten dies liegend, bot doch das Flußbett keinerlei Deckung. Solange die Sichtverhältnisses es zuließen, verhinderte die Topographie allerdings auch das unerkannte Annähern des Feindes, doch der Blick nach Osten zeigte, daß schon bald die Nacht hereinbräche, es in wenigen Minuten stockdunkel sein würde. Kein Zweifel, der Marschbefehl hatte sie zu spät erreicht. Sander fühlte sich ausgesprochen unwohl bei diesem Gedanken.
Der Oberleutnant klappte das Gerät zusammen, verstaute es umständlich im Kampfanzug. Erst jetzt schenkte er den anvertrauten Zivilisten Aufmerksamkeit. „Der Bus kommt in ungefähr zehn Minuten. Stehen Sie nicht zusammengedrängt wie eine Hammelherde! Verstärken Sie den Sicherungsring! Halten Sie die Augen offen, wir haben hier keine vernünftige Deckung. Tagsüber ist der Ort ideal, da kann sich keiner unbeobachtet nähern, aber wir sind spät dran. Solange der Mond noch nicht am Himmel steht, wird es ruck, zuck finsterste Nacht. Die können keine zwanzig Meter von Ihnen entfernt auf dem Boden liegen, ohne daß Sie es bemerken!“ Der
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