Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
setzend, seinen Weg fort, nun wieder in aufrechter Haltung, ohne ständig Halt auf dem Schüttkegel zu suchen. Wer weiß, was er dort noch gefunden hätte!
Sander bemerkte, daß sich etwas geändert hatte. Es war etwas Bedeutendes, dies sagte ihm sein Gefühl, aber was, zum Teufel, war es? Vorsichtig tastete er sich weiter. Ein kleiner Schritt noch, und seine Linke berührte eine Wand. Er hielt inne, um in seinem Gedächtnis das Bild dieses Kavernenbereichs abzurufen. Zwischen der Nische und der Ecke zu der parallel zur Aufzugtrasse verlaufenden Kavernenwand stand ein Pfeiler von vielleicht sechzig Zentimetern. Genau diesen Pfeiler mußte er getroffen haben, links davon befände sich die Nische, rechts spränge die Wand zurück. Er tastete nach links. Da war keine Nische. Wo, zum Teufel, befand er sich? Er bemerkte die Heftigkeit des Herzschlages. ‚Ruhig bleiben!‘ Zumindest müßte irgendwo rechts von ihm die Wand zurückspringen, sollte sich sein virtueller Lageplan bestätigen. Die Hände an die Wand gepreßt, bewegte er sich einen Seitwärtsschritt nach rechts, fuhr mit der Rechten die Wand entlang, noch ein Schritt und tatsächlich – er griff dort ins Leere! Er prüfte mit dem rechten Fuß den Untergrund, ein vorsichtiger Schritt noch – er hatte die Kante erreicht! Er befand sich in dem Kavernenbereich, der von der Trasse des Schrägaufzugs der Länge nach durchzogen wurde! Doch dort, wo er die Trasse vermutete, traf sein Fuß nur auf Geröll.
Plötzlich wußte Sander, was sich geändert hatte! Es roch nicht mehr nach Methan! Beugte er sich nur ein wenig nach rechts, verspürte er, kaum merklich, einen Luftzug. Er befand sich in unmittelbarer Nähe des Schachtes! Nun mußte er alle Sinne zusammenfassen, um die nächste Hürde zu schaffen, an die Öffnung des aufsteigenden Schachts zu gelangen! So sehr er sich bemühte, sich diese Situation in Erinnerung zu rufen, es wollte ihm nicht gelingen. Zu groß war der Streß vor der Abfahrt in die Tiefe gewesen, als daß er in jenem Augenblick Sinn für seine Umgebung gehabt hätte.
Wäre das Gleis doch noch an Ort und Stelle! So aber blieb ihm nichts anderes übrig, sich in unbekanntes Terrain zu wagen, auf instabilem Untergrund, das von den Urgewalten verformte Stahlgeflecht aus Schienen, Schwellen, Ständern und Bodenankern dort irgendwo in der Luft wissend. Unterhalb der abgestürzten Drehscheibe lauerte der steil zur Hölle abfallende Schacht, hoch über ihm die ständige Gefahr herabstürzenden Gesteins. Dennoch – er hatte keine Wahl, er würde das erlösende Licht nur sehen, wenn er die Längsachse des Schachtes erreichte! Er richtete sich auf, tat den ersten zögerlichen Schritt. Es ging rascher als gedacht, da er bald mit dem in sich verdrehten Gleis des Schrägaufzugs kollidierte. Er hangelte sich, abwechselnd mit der Linken oder der Rechten nach einer der Schienen tastend, von Schwelle zu Schwelle bergan, bis er mit der Schulter gegen eine behauene Felskante stieß. Er hatte den Schachtmund erreicht!
Sein keuchender Atem ging stoßweise. War es die Aufregung, die Anstrengung? Es war ihm einerlei. Seine Augen suchten das Licht. Tief beugte er sich in den steil aufsteigenden Schacht. Kein Licht! Keine Sonne! Nur Dunkelheit, diese verdammte konturlose Finsternis! ‚Wo, zur Hölle, ist die Sonne?‘ Sein Herzschlag raste. Er quälte sich unter Schmerzen in eine andere Position. Wieder nichts! Er tauchte unter dem Gleisgewirr hindurch, suchte von dort aus erneut hoch oben das Licht. Ergebnislos, tiefste Schwärze überall. Keine Sonne, kein noch so diffuses Licht, kein Leben – aus und vorbei! Er ließ sich, den Schulter an die Wand gelehnt, zu Boden sinken. Er ahnte, dieses Problem würde er nicht lösen können. Ihm fehlte plötzlich die Kraft, der Wille; tiefe Resignation legte sich dumpf über seine Gedanken. Er war bereit, zu sterben.
29. Juli, 20:20 Uhr Ortszeit; Bassetts Office, US-Generalkonsulat, Karatschi
„Sander werden Sie von Ihrer Liste streichen müssen!“ Cannon drehte die obligatorische Bierdose zwischen den Handflächen, als wollte er sie zu einem Seil auswalzen. Er stand wie gewöhnlich mit dem Rücken zum Fenster, halb auf der Fensterbank sitzend. Hinter dichten Tabakwolken war Bassett kaum zu erkennen, der, despektierlich die herumliegenden Akten als Unterlage nutzend, die Füße auf dem Schreibtisch abgelegt hatte.
„Erzählen Sie, John! Machen Sie‘s nicht so spannend!“
Cannon schien einen Moment nach den
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