Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
schnürte den Brustkorb ein, ließ ihn das Atmen vergessen. Unter ihm erzitterte erneut der Fels! Schon brach das Unheil los. „Nein! Nicht wieder!“ Er schrie an gegen den Lärm berstenden Gesteins, dieses gräßliche Geräusch, mit dem er nichts als Ohnmacht, Schmerz und Todesangst verband. Er schrie immer fort, versuchte, mit sich überschlagender Stimme das brutale Getöse zu überwältigen, sich vollkommen bewußt, daß er in diesem Spiel der Urgewalten nichts, aber auch gar nichts ausrichten konnte. Doch solange er schrie, lebte er! Also schrie er, fortwährend, so laut er nur konnte. Er schrie um sein Leben – im wahrsten Sinne des Wortes.
So urplötzlich, wie er zu zittern begonnen hatte, kam der Berg zur Ruhe. Sollte er auch dieses Fiasko überlebt haben? War es überhaupt ein Beben? Aber da war, wenn auch schwächer werdend, noch immer dieses Angst einflößende Geräusch! Was ging da vor? Das Poltern herabstürzenden Gesteins entfernte sich, drang tiefer und tiefer in den Berg, bis dieser es irgendwo in den Tiefen der Unterwelt endgültig verschlang. Es gab nur eine Erklärung: Das Getöse muß aus dem unteren Aufzugschacht gekommen sein!
Wieder schmeckte Sander den Staub. Ihn fröstelte, eine Brise umfächelte ihn. Eine Brise! Bisher hatte er unter stickiger Wärme gelitten, nur in unmittelbarer Nähe des Schachts zog es minimal. Jetzt aber saß er in einem fühlbaren Luftstrom! Der Schacht nach oben konnte nicht vollkommen eingestürzt sein! Er sprang auf, fühlte hektisch nach den Kanten des Schachtmundes, fand sie schließlich und schaute angestrengt nach oben, dorthin, wo er das Licht vermutete. So sehr er auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln in den Schacht starrte – da war kein Licht! ‚War es vielleicht Nacht dort oben? Dies wäre eine Erklärung! Wie viel Uhr mochte es sein? Mein Gott, die Uhr!‘ Er hatte sie verloren, vermutlich aus der Hand fallen lassen, als die Todesangst ihn übermannte. Er kniete zu Boden, den Schmerz spitzen Gesteins ignorierend tastete er das Umfeld ab. Vergebens, die Uhr blieb verschwunden. Er hatte das Licht verloren!
Sander lehnte sich zurück an den Felsen, starrte in die entmutigende Finsternis. Unfähig, einen Gedanken zu fassen, wartete er auf das Aus. Wieder tanzten wirr durcheinander huschende Lichtpunkte vor seinen Augen, Tausende winzig kleine Sterne trieben Schabernack mit seinen Sinnen. War es die Anstrengung, der Finsternis eine Kontur abzuringen? Oder der Durst? Wurde er wahnsinnig? Sander hatte nicht die Kraft, den Gedanken zu Ende zu spinnen, geschweige, sich dagegen zu stemmen. Durch die auf und ab tanzenden Lichtpunkte hindurch drängte ein pulsierendes Leuchten schemenhaft in den Vordergrund, wattig zart, ein kraftloses, mattes Flackern, quadratisch stand es im Raum. Quadratisch? Ohne Zweifel, er verlor den Verstand! Ihn kümmerte nicht, ob Durst oder Finsternis ihn seiner Sinne beraubte. Wozu auch? Er wollte nicht mehr kämpfen. Dies war kein Beschließen, nicht das Resultat eines Abwägens, es war das Tuch der Hoffnungslosigkeit, das sich über sein Bewußtsein, seine einstmalige Entschlossenheit legte. Sander gab endgültig auf.
Er schloß die Augen, hoffte, daß die Müdigkeit ihn übermanne, der Todeskampf ihm erspart bliebe. Die überforderten Sinne ließen ungehemmt die winzigen Lichter tanzen, doch zumindest das rhythmisch aufscheinende Quadrat, Synonym aufkommenden Wahnsinns, war verschwunden. Hätte er doch die Uhr noch! Ob das Zifferblatt noch leuchtete? Dann wäre er nicht allein. Vielleicht könnte er die Uhr finden, wenn er nur intensiv nach ihrem grünlichen Glimmen Ausschau hielte. Sander öffnete die Augen. Da war sie wieder, die Sinnestäuschung, neblig diffus schimmerte da ein Quadrat, kleiner als eine Laptoptaste. Sander schüttelte unwirsch den Kopf, als könne er auf diese Weise seine Sinne zur Ordnung rufen, doch da leuchtete noch immer ein Quadrat. War es wirklich eine Sinnestäuschung? Was hätte es zu bedeuten, wenn dort tatsächlich ein Quadrat leuchtete? Er hatte keine Erklärung, doch eine bange Ahnung ergriff ihn. Es kostete ihn kolossale Überwindung, die linke Hand, zögerlich, das Ergebnis fürchtend, vor seine Augen zu heben. Das Quadrat verschwand, um nach einer Seitwärtsbewegung der Hand wieder aufzutauchen. Noch einmal und noch einmal, immer rascher. Da war ein Quadrat! Es sendete unregelmäßig sein schwaches, flackerndes Leuchten. Zweifellos, da war ein Licht! Aber was hatte das zu bedeuten?
Der
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