Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Pulsschlag wummerte in Sanders Ohren. Er war zu aufgeregt, sich analytisch der Beobachtung anzunehmen, eine plausible Erklärung zu finden. Er mußte dort hinunter, hinabsteigen zu diesem Licht! Er mußte wissen, worum es sich handelte, ob es ihm den Weg aus der Finsternis wies! Hastig begann er den Abstieg. Eine nie gekannte Neugier trieb ihn hinab, jede Vorsicht vergessend, schon stürzte er der Länge nach auf die Drehscheibe. Er spürte nicht den Schmerz, nur das Licht zählte! Bäuchlings auf der in die Tiefe geneigten Drehscheibe liegend, blickte er auf, sich zu vergewissern. Er starrte in die Richtung, wo eben das Licht noch leuchtete. Es war verschwunden.
30. Juli, 09:30 Uhr Ortszeit; Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland, Karatschi
Franken sah man an, daß er kaum geschlafen hatte. Seine Augen lagen noch tiefer in den dunklen Höhlen, sein Blick irrte unstet durch den Raum, die eingefallenen stoppeligen Wangen verkörperten den Scharm eines abgeernteten Maisfeldes. Nervös fuhr er sich durch das wuschelige Haar. Dr. Steffens hielt es nicht länger in seinem Sessel. Er durchquerte den Raum, stoppte neben der Zimmerpalme, machte kehrt, schritt energisch bis auf die Höhe seines Sessels, um dann den Weg Richtung Zimmerpalme erneut in Angriff zu nehmen. Immer wieder. Das stetige Hin und Her schien Franken zu irritieren. Er erhob sich ebenfalls.
„Informieren wir jetzt schon die Frauen oder sollen wir damit warten, bis die Pakistaner Ergebnis und Beendigung der Rettungsaktion offiziell mitteilen?“ Dem Generalkonsul war der Schock deutlich anzusehen. Er wartete nicht auf Frankens Antwort. „Sander war vorgestern noch hier! Dort hat er gesessen.“ Er wies auf den Sessel, in dem eben noch sein Gast mit erkennbar desolatem Nervenkostüm kauerte. „Ich hatte ihn vor dem Trip gewarnt. Er war von seinem Vorhaben nicht abzubringen. Eine reine Dienstleistung, für ihn irrelevant, ein, zwei Tage Zeitaufwand allenfalls, das waren seine Worte. Und jetzt das! Alles hätte ich für möglich gehalten, aber nicht, daß er aufgrund eines Erdbebens in der Mine umkommt.“ Dr. Steffens kehrte zurück zu seinem Schreibtisch, ließ sich kraftlos in den Sessel fallen. „Sind Sie sicher, daß da keiner mehr rauskommt?“
Franken rang um die angemessene Formulierung. „Ich bin Banker, kein Bergmann! Wir sind aus dem Gebäude gestürzt, als das Beben begann. Wir waren viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt, um auf die Mine zu achten. Das Einzige, was wir nach dem Beben bemerkten, waren die Staubfahnen an den Hängen, ausgelöst von herabrutschendem Gestein. Dann schoß plötzlich diese gigantische Staubwolke aus dem Hauptstollen! Ich glaubte, da sei Dynamit explodiert. Als die Minenarbeiter das sahen, gingen sie, eben noch aufgeregt palavernd, wortlos zum Geräteschuppen. Keiner sagte einen Laut. Es war wie eine Prozession, ein Ritual, einfach unheimlich. Vor dem Schuppen wurden mit ruhiger Stimme Kommandos gesprochen, nur das Wesentliche. Sie teilten mehrere Gruppen ein. Das geschah alles mit unglaublicher Gefaßtheit. Jeder wußte, was zu tun war, was sie erwartete. Sie ergriffen das Rettungsgerät, luden es in die Loren, einer hatte eine Lok geholt. Sie fuhren zum Hauptstollen. Ein Teil stieg in den Berg auf, um zu den Aufzugschächten zu gelangen, die anderen verschwanden im Stollen. Nach vielleicht zwanzig Minuten kam einer von ihnen zurück. Er brauchte nichts zu sagen, sein Gesichtsausdruck verriet die Katastrophe. Aussichtslos. Wenn Sie mich fragen – absolut aussichtslos!“
Frankens Gestik brachte seine Niedergeschlagenheit zum Ausdruck. Die Schilderung des Erlebten zerrte sichtlich an seinen Nerven. Dr. Steffens hielt die Armlehnen seines Sessels umklammert, weiß traten an den Händen die Knöchel hervor. „Trotzdem – wir warten, bis die Rettungsaktion offiziell beendet ist. Wer weiß, vielleicht geschieht ein Wunder! Ich schicke einen Mann zur Mine.“ Nach einigen Sekunden der Nachdenklichkeit fixierte er Franken. „Wieso waren Sie eigentlich nicht in der Mine?“
Franken rang nach einer Erklärung. Dr. Steffens winkte ab. „Lassen wir das! Seien Sie froh, daß Sie es nicht waren!“ Er erhob sich, ließ keinen Zweifel daran, daß das Gespräch beendet sei. Er öffnete die Tür zum Vorzimmer, komplimentierte Franken hinaus. „Frau Kuhlmann, keine Störung bitte!“ Er wollte mit seinen Gedanken allein sein.
Datum und Uhrzeit unbekannt; Sulaiman Coal Mine
Sander lag, den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher