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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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Wahl.
    Sander bewegte sich im Seitwärtsschritt behutsam auf die linke Kavernenwand zu. Er hatte sie bald erreicht und tastete sich nun nach vorn. Wieder tauchte das letzte Bild auf, das er von den beiden Pakistanern in Erinnerung behalten hatte, bevor die seismische Apokalypse ihn jeder geordneten Wahrnehmungsfähigkeit beraubte. Wahrscheinlich waren sie längst über alle Berge, voller Panik, glaubend, nur sie hätten die Katastrophe überlebt. Er würde es ihnen zeigen! Er würde es allen zeigen! Er würde – allein auf sich gestellt – diesem unheilvollen Bergverlies entrinnen! Alexandra und die Kinder erwarteten das von ihm. Er würde sie nicht enttäuschen!
    Weiter tastete er sich Richtung Schrägaufzug. Er rechnete jeden Moment damit, die Nische der beiden Bergleute zu erreichen, als er mit dem linken Fuß gegen Geröll stieß. Er versuchte – erst mit den Füßen, dann mit den Händen um sich tastend – sich ein Bild zu machen. Der Schüttkegel führte von der Wand fort, war ausgedehnter, als er mit den Händen reichen konnte. Offensichtlich hatte das Beben auch hier den Fels zermürbt, war dieser Teil der Kaverne eingestürzt. Er tastete sich an dem Geröll entlang und hatte bald die Orientierung verloren. Er beschloß, den Weg entlang des Gerölls fortzusetzen, denn auch auf diese Weise mußte er zum Aufzugschacht gelangen. Ihm blieb ja immer noch der Rückzug auf demselbem Wege. Stets darauf bedacht, den Kontakt zum Geröll nicht zu verlieren, ging es langsam voran. Wo und in welcher Richtung er sich befand – er wußte es nicht. Es war ihm egal. Die akribische Vorbereitung der Expedition – alles war vergessen. Er wußte nur, wohin er wollte. Das Geröll war sein Wegweiser. Das mußte genügen.
    Sander erschrak so heftig, daß ihm der Atem stockte. Gerade hatte er mit der Linken seine Position zu dem Geröllhaufen geprüft, als ihm jemand die Hand gab! Wortlos, ohne Gruß, legte der Fremde seine ermattete Hand in die seine, geradeso, als hätte er die ganze Zeit auf ihn gewartet. Sander verharrte einen Moment wie gelähmt. Das mußte einer der Pakistaner sein! Er hatte in vollkommener Finsternis einen der beiden Bergleute gefunden, da konnte der andere nicht weit sein! Sie hatten ihn nicht im Stich gelassen! Zu Dritt würden sie es schaffen, diesem schrecklichen Ort zu entkommen! Er wollte schreien, irgend etwas, ‚Halt durch!‘ vielleicht oder ‚Du schaffst das!‘, aber kein Laut löste sich von seinen Lippen. Erst jetzt bemerkte er die Kälte, die Kraftlosigkeit der Hand. Der Mann war am Ende seiner Kräfte, vermutlich verletzt! Er mußte handeln, umgehend, sonst würde der Tod rascher sein. Er zerrte mit aller Macht an der Hand, hörte, wie das Geröll in Bewegung geriet, und war erstaunt, wie leicht es den leblosen Körper freigab. Sander rang vor Aufregung nach Luft. Es ging leichter, als er gedacht hatte! Er würde es schaffen, den Verschütteten zu befreien! Er war nicht mehr allein, alles würde erträglicher! Er begann, mit der freien Hand den Körper zu ertasten, um im selben Moment in einen Abgrund vollkommener Verzweiflung zu stürzen. Da war kein Körper – nur der Arm!
    Er spürte den Schwindel, registrierte unterbewußt, wie alle Kraft ihn zu verlassen schien, er sich im Gefühl grenzenloser psychischer Erschöpfung auf den Grund der Kaverne sinken ließ. Er brauchte lange, sehr lange, um sich zögerlich aus tiefer Depression zu lösen. Noch immer hielt er die kraftlose Hand. Er schluchzte. Gleichzeitig schämte er sich, denn er weinte nicht aus Trauer – er beweinte seine Einsamkeit. So saß er da, hielt die kraftlose Hand und fühlte eine alles überflutende Leere. Wenige Sekunden vermeintlichen Glücks gerieten zur Unendlichkeit seelischen Leids, absoluter Hoffnungslosigkeit. Er war allein, gefangen in der Tiefe des Berges, umschlossen von Millionen Tonnen unerbittlichen Felsgesteins. Würde er je die Sonne wieder erblicken?
    Die Sonne! Sie war und blieb das Ziel! Alles andere bedeutete Untergang, Tod, schlimmer noch: erbärmliches Verrecken. Ein Ruck, schon stand er, gebückt zunächst, dann, das höhere Gewölbe der Kaverne in Erinnerung, sich vorsichtig zu voller Größe aufrichtend, die kalte, leblose Hand in der Linken. Einen Moment grübelte er, dann legte er behutsam den fremden Arm auf das Geröll. Ein Begräbnis erübrigte sich, dieser Ort war Grab allemal, ein einziges riesiges Grab.
    Es drängte ihn, die Stelle zu verlassen. Er setzte, akribisch Schritt für Scritt

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