Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
erkannte, daß es auf seiner Seite weder über Griffe noch Schlösser verfügte. Er stürzte sich auf die am Boden liegenden Trümmer des herausgebrochenen Deckenstücks, türmte sie hastig in dem Winkel unterhalb des Spaltes auf. Er erklomm den Steinhaufen. Voller Ungeduld zwängte er sich an dem störenden Rohr vorbei, zog sich an ihm in den Spalt, dem Licht entgegen. Dann blickte er in eine andere Welt. Grelles Flackern blendete ihn. Blinzelnd erkannte er, was sich da unter ihm ausbreitete. Seine Sinne tobten, er glaubte, jeden Moment den Verstand zu verlieren. Dort war ein Raum, ein von Menschen genutzter Raum, keinesfalls einem seit Jahrzehnten verlassenen Minenbereich zuzuordnen, wie es die Tuschezeichnung wiedergegeben hatte! Erst jetzt bemerkte er Details. Von der Decke hing an ihren Kabeln eine mitsamt der Fassung herausgerissene Neonröhre. Sie war es, die pausenlos ihr Flackern in die Finsternis sandte; sie hatte ihm den Weg gewiesen. Nicht auszudenken, wäre sie vollständig zerstört worden! Diese Neonröhre war eingeschaltet gewesen, als das Beben begann! Das hieß, hier waren noch vor kurzer Zeit Menschen, gingen hier ihrer Tätigkeit nach. Doch welcher Tätigkeit? Dieser Bereich wurde seit mehr als achtzig Jahren nicht mehr als Bergwerk genutzt! Hatte man ihnen etwas verschwiegen?
In der gegenüberliegenden Wand befand sich ebenfalls eine stählerne Doppeltür. Ihr rechter Flügel stand halb geöffnet, gab den Blick in einen unbeleuchteten Raum frei. Über den Boden verstreut lagen Deckentrümmer. Sie hatten an einem Teil der Einrichtung sichtbare Schäden hinterlassen. Sander konzentrierte sich mit kreisendem Blick auf die Einrichtung. Unmittelbar unter ihm befand sich offensichtlich ein Tisch, denn er konnte die Lehne eines Drehstuhls erkennen. Gegenüber, rechts der Tür, standen etliche Stahlschränke, die meisten geöffnet, ihr Inhalt auf dem Boden verstreut. Er erkannte allerlei Gerätschaften, Meßgeräte waren darunter, Monitore, Akkus, unterschiedlichste Behältnisse, ferner Arbeitskittel, gummierte Hand- und Überschuhe, Schutzbrillen. In Raummitte lagen auf dem Boden verstreut diverse Zeitungen, russische Zeitungen! Was, zum Teufel, hatten im tiefsten Belutschistan in einem seit mehr als achtzig Jahren stillgelegten Minenbereich russische Zeitungen zu suchen? Sander spürte, daß die Rätselhaftigkeit seiner Beobachtungen nichts Gutes verhieß. Er kannte das aufkommende Gefühl, das ihm signalisierte, kühlen Kopf zu bewahren. ‚Gefahr in Verzug!‘ hieß die Botschaft. Dieses Gefühl hatte ihn bisher nie getäuscht.
Er setzte merklich unaufgeregter seine Bestandsaufnahme fort, denn jede zusätzliche Information könnte Element seiner Überlebensstrategie werden. Der Schrank unmittelbar neben der Tür war verschlossen. Er hatte eine Aufschrift in persischer Schrift, insofern blieb sein Inhalt ein Geheimnis. Es mußte etwas Wichtiges sein, denn keine der anderen Türen hatte, soweit er dies sehen konnte, irgendeine Kennzeichnung. Links neben der Tür hing an einem Haken Schutzkleidung, wie er sie von seiner Gutachtertätigkeit – noch zu Zeiten der UdSSR – in einem Chemiekombinat in Mogilew her kannte. Chemie in einem aufgelassenen Bergwerk? Er beugte sich nach links, um weiter in den rechten Raumbereich blicken zu können. Dort standen an der Wand, meterhoch aufgetürmt, in Kunststoff-Folie eingeschrumpfte Wasserflaschen. Wahrhaftig – da war Wasser! Trinkwasser!
Er hatte es gewußt – hinter dieser Tür lag die Rettung! Doch sie war verschlossen; er mußte durch den Spalt. Mit dem Oberkörper voran würde eine harte Landung unvermeidlich werden. Sollte der Tisch nicht unter herabstürzenden Brocken zusammengebrochen sein, minderte er zwar die Fallhöhe, würde den Aufprall jedoch keineswegs angenehmer gestalten. Sander beschloß, diesen Gedanken zurückzustellen und zunächst die Erhöhung des Steinpodests in Angriff zu nehmen, um sich, an dem Rohr entlanghangelnd, vollständig durch den Spalt zwängen zu können. In diesem Moment stockte ihm der Atem. Eine Gestalt betrat den Raum! Sander, in keiner Weise darauf vorbereitet, gefror das Blut in den Adern – zu unheimlich, zu abstrus war die Erscheinung! Die Gestalt trug eine schwarzlederne Gesichtsmaske, an der rechten Hand, nur an dieser, einen ebenfalls schwarzen Lederhandschuh, ein Outfit, wie er es nur aus Gruselfilmen kannte.
Die Gestalt machte sich an dem Schrank neben der Tür zu schaffen. Heftig zog sie an der Tür, bis
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