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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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Karatschi
    Nicht die bevorstehende Aktion beschäftigte Bassett, sondern die Qual des Entzugs. Eine Stunde saß er nun schon dort, tief in die zurückgefahrene Lehne des Fahrersitzes gepreßt, ohne eine einzige Zigarette geraucht zu haben. Er hatte erst gar keine mitgenommen, um nicht der Verlockung zu erliegen; der Qualm hätte ihn möglicherweise verraten. Er beobachtete unverwandt das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ein schmuckloses Bürohaus älteren Stils, straßenseitig im Erdgeschoß ein Ledergeschäft, links davon der im Halbdunkel liegende Durchgang zum Innenhof. Dunkle Fensterhöhlen verrieten den Leerstand des Gebäudes, in Karatschi bei intakten Immobilien ein nur wenige Tage währender Zustand. Das im ersten Stock angebrachte Schild verkündete die Käuflichkeit des Gebäudes. Unter den roten Lettern For Sale nannte es Makler, Adresse und Telefonnummer. Das also meinte Abdul, sein Informant und Kampfgefährte, als er sagte, ‚Du kannst die Bude kaufen‘. Bassett grinste. Der Gedanke war überzeugend.
    Im Halbdunkel des Hofdurchgangs erschien, einem wandelnden Scherenschnitt gleich, die Kontur eines Hünen, dessen Kopfbedeckung, eine schlampig gewundene Chitrali Topi, den Paschtunen verriet. Bassett griff nach dem Foto auf dem Armaturenbrett und wartete, bis der Mann ins Tageslicht trat. Ein kurzer Vergleich – er war es! Mit einem achtlosen Schlenker beförderte Bassett das Bild, die Rückseite nach oben zeigend, zurück auf das Armaturenbrett. Er kramte nach seinem Handy, wählte die Nummer des Maklers. Nach wenigen Freizeichen wurde abgehoben. Bassett gab dem Makler keine Gelegenheit zu irgendeiner Floskel. „Hallo! Ich stehe vor Ihrem Objekt in Kharadar. Es interessiert mich. Ich möchte mir ein Bild machen, wenn möglich, jetzt. Geht das in Ordnung?“
    „Mein Büro ist gleich um die Ecke. In spätestens fünf Minuten werde ich dort sein.“
    „Gut. Ich warte vor dem Ledergeschäft.“
     
     

Datum und Uhrzeit unbekannt; Sulaiman Coal Mine
    Sander rang nach Atem. Er hatte sich – nach mehreren ängstlich abgebrochenen Versuchen – in Rückenlage an dem Rohr endlich soweit durch den Spalt gezogen, daß er die Beine, eines nach dem anderen, hindurchziehen konnte. Er wußte, er würde sein Gewicht nicht halten können, zu geschwächt war sein Körper. Unmittelbar nachdem er den Kontakt zum Tor verlor, glitt ihm das Rohr aus den Händen. Die Fallhöhe des unvermeidlichen Sturzes auf den Tisch war zu niedrig, als daß er sich hätte abfangen können. Er schlug hart mit dem Rücken auf die Tischkante, bevor er, vom Aufprall benommen, von dort zu Boden glitt. Dort lag er mit aufgerissenem Mund, unfähig, sich aufzurichten, geschweige, aufzustehen. Ganz langsam wendete er den Kopf. Selbst die geringste Bewegung löste Qualen aus.
    Dort rechts war das Wasser! Er müßte knapp sechs Meter schaffen, und die größte Bedrohung seines Lebens wäre gebannt! Sander quälte sich in Hockstellung, richtete sich, die Hände erst auf die Knie, dann auf die Oberschenkel gestützt, mühselig auf. So verharrte er eine Weile, doch sein Verlangen war übermächtig. Kein Schmerz dieser Welt konnte ihn davon abhalten, zu der rettenden Wand zu gelangen! Vorsichtig setzte er den ersten Schritt, schon schneller den zweiten, um dann noch rascher die nächsten zu tun. Endlich ergriff er die Folie eines Sixpack, versuchte, sie zu zerreißen, bis der Kunststoff tief in seine Finger schnitt. Mit Händen und Zähnen gelang es ihm schließlich, der Folie die erste Flasche zu entringen. Zittrig öffnete er den Schraubverschluß und begann, die Hälfte des kostbaren Nasses aus den Mundwinkeln rinnend, in tiefen Zügen zu trinken. Das Wechselspiel seines rasselnden Atems und des gierigen, nicht enden wollenden Schluckens versinnbildlichte den Zweikampf des Überlebenswillens mit dem nahenden Tod. Doch mit jedem Schluck wuchs in ihm die Gewißheit, das Leben würde den Tod bezwingen. Also trank er, bis aufkommendes Würgen ihm Einhalt gebot.
    Sander war zu erschöpft, einen klaren Gedanken zu fassen. Er kroch, die zur Hälfte geleerte Flasche wie einen kostbaren Schatz in der Hand haltend, neben den Stapel, lehnte sich dort Halt suchend an die Wand. Augenblicklich forderte die Erschöpfung ihren Tribut. Langsam neigte sein Oberkörper sich seitwärts zu Boden. Die Flasche entglitt seiner Hand, das kostbare Naß zeichnete bizarre Linien in den Staub. Unvermittelt schlief er ein. Er hatte nicht bemerkt, daß er

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