Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Kampfgasvergiftungen! Eine schreckliche Ahnung ergriff ihn. Der Fremde hatte es bemerkt. „Nehmen Sie sie mit! Möglicherweise brauchen wir sie. Ich erklär‘ Ihnen das später!“ Seine Stimme duldete keinen Widerspruch.
Sander legte die Spritzen zurück in den Verbandkasten. Mühselig erhob er sich. Tastend, wie er es von seiner Odyssee durch die Finsternis gewohnt war, setzte er Fuß vor Fuß, bis er den Irrtum erkannte. Er beschleunigte seine Schritte bis an die Schmerzgrenze, legte den Verbandkasten auf den Tisch und ging zu dem Fremden. Dieser reichte ihm zwei Kletterseile, jeweils mit Wurfanker, wie der Gelbäugige eines genommen hatte, dann zwei Handstrahler, Ersatzakkus, schließlich ein Bündel papierner Staubmasken. Sander deponierte alles auf dem Tisch, schaute daraufhin wieder dem Treiben des Fremden zu. Er betastete nachdenklich seine Bartstoppeln. „Wissen Sie eigentlich, welchen Tag wir haben?“
Der Fremde unterbrach seine Suche, blickte zu ihm hinüber. „Die Uhr haben sie mir gleich nach meiner Gefangennahme abgenommen.“ Er trat an den auf dem Boden liegenden Zeitungsstapel, hob die zuoberst liegende Zeitung auf und schaute auf das Titelblatt. „Sie ist auf den 25. Juli datiert. Ich kann nicht sagen, ob ich sie am 25. bekommen habe und wie viel Zeit seitdem vergangen ist. Im Berg verliert man nach wenigen Tagen jegliches Zeitgefühl.“
Sander starrte ihn an. „Das sind Ihre Zeitungen?“
Der Fremde wurde nun ungeduldig. Seine Mimik verriet Angst. „Hören Sie, das erkläre ich Ihnen später! Jetzt müssen wir hier raus, bevor es zu spät ist! Was meinen Sie, wie viel Wasser werden wir für den Aufstieg benötigen?“ Sander ließ die Wegstrecke Revue passieren. Wenn er wenigstens wüßte, wieviel Tage er benötigt hatte, hierher zu kommen! Würde der Anstieg beschwerlicher sein? Sicher nicht, sie hatten jetzt Licht.
„Ich schätze, vier Flaschen für jeden sollten genügen.“
Der Fremde schaute ihn bekümmert an. „Vier Flaschen? Es ist nicht das Gewicht, was mir Kummer bereitet – es ist das Volumen! ... Warten Sie, ich hab‘ eine Idee!“ Sprach‘s und verschwand im Nebenraum. Nach kurzer Zeit kehrte er mit einer Lederschürze zurück. Er legte sie zu den Sachen auf den Tisch und machte sich in den Schränken zu schaffen. Er wühlte unter den eingestürzten Böden, bis er gefunden hatte, was er suchte: eine Drahtrolle. „Wir machen aus der Schürze einen Schlitten und packen so viele Flaschen hinein, wie nur möglich. Die restlichen tragen wir am Mann.“ Er warf Sander Flasche um Flasche zu, bis acht Stück auf dem Tisch standen.
„Haben Sie keinen Helm?“ Sander wies auf den seinen.
„Die gibt‘s im Laborbereich nicht, der ist ausbetoniert und armiert wie ein Atombunker. Die Helme hängen in den Ausgangsschleusen. Da kommen wir nicht hin – alles verstrahlt.“
Sander nickte, ohne den Fremden wirklich verstanden zu haben. „Gibt es irgend etwas Eßbares?“
„Nein. Ist alles in der Kantine, ebenfalls nicht mehr erreichbar.“ Der Fremde schien bekümmert angesichts seiner wenig Hoffnung auslösenden Antwort.
Sander registrierte es mit hilflosem Schulterzucken. „Also dann – beeilen wir uns!“
Nun stand die schwierigste Aufgabe bevor, die Passage durch den Wandspalt. Sander wies auf den Durchbruch. „Es sollte passen, Sie haben ungefähr die gleiche Figur. Sie müssen sich an dem Rohr hindurchziehen. Ich gehe zuerst. Ich weiß, wie es dahinter aussieht. Sie müssen mich halten, bis ich weit genug hindurch bin und zumindest mit einem Fuß auf dem Steinhaufen Halt gefunden habe. Der Rest tut vermutlich weh, ist aber beherrschbar.“
Der Fremde wies auf Sanders Akku. „Tut der’s noch? Dann könnten wir uns eine Lampe sparen.“
Sander war perplex. Er hatte den nutzlosen Akku an seiner Taille gänzlich vergessen, mit dem sperrigen Teil den Hades durchquert und sich gar durch den Spalt gezwängt! Der Fremde grinste matt, als Sander umständlich den Schultergurt über seinen Kopf zog, um sich des defekten Akkus zu entledigen. Sander ließ ihn achtlos zu Boden fallen, erklomm wortlos den Tisch, umfaßte das Rohr und zwängte sich, die Füße voran, durch den Spalt. Der Fremde half ihm, so gut es die Platzverhältnisse auf dem Tisch zuließen.
Die Landung war hart, doch Sander verdrängte den Schmerz. Er erklomm das Steinpodest, ließ sich die Ausrüstung reichen und legte alles vor die Stollenwand. Nun kam der Fremde an die Reihe. Dieser hatte inzwischen
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