Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
zu Washington.«
»Sie gestatten?« Brayducks Stimme klang höflich. »Ich bin nicht der Ansicht, daß das eine ungewöhnliche Entscheidung ist. Wir sind schließlich der wichtigste Faktor.«
»Das war ungewöhnlich, Mr. Brayduck. Insofern nämlich, als Kroeger mit keinem anderen als einem Major Canfield in Verbindung treten wollte. Major Matthew Canfield ist oder war ein tüchtiger, untergeordneter Offizier der Abwehr in Washington. «
Brayduck hielt seine Pfeife unbewegt in der Hand und sah den Brigadegeneral an. Cordell Hull beugte sich in seinem Sessel vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch.
»Sie haben davon in Ihrem Memorandum nichts erwähnt. «
»Das ist mir klar, Sir. Ich habe es für den immerhin vorstellbaren Fall weggelassen, daß das Memorandum von jemand anderem als Ihnen selbst gelesen werden könnte.«
»Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, General.« Das kam von Brayduck und klang ehrlich.
Ellis lächelte, sichtlich erfreut über seinen Sieg.
Hull lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Ein bedeutendes Mitglied des Hohen Kommandos der Nazis besteht darauf, nur mit einem obskuren Major in der Abwehr zu verhandeln. Höchst ungewöhnlich!«
»Ungewöhnlich, aber nicht unerhört... Wir alle haben irgendwelche deutschen Staatsbürger gekannt. Wir nahmen einfach an, daß Major Canfield diesen Kroeger vor dem Krieg kennengelernt hatte. In Deutschland.«
Brayduck trat auf den Offizier zu. »Und doch sagen Sie, daß Kroeger vielleicht gar kein Deutscher ist. Offenbar haben Sie zwischen der Forderung Kroegers und der Niederschrift dieses Memorandums Ihre Meinung geändert. Was hat Sie dazu veranlaßt? Die Erwähnung Canfields?«
»Major Canfield ist ein tüchtiger, manchmal sogar ausgezeichneter Abwehrbeamter. Ein erfahrener Mann. Aber seit der Kanal zwischen ihm und Kroeger besteht, scheint er unter einer starken nervlichen Belastung zu stehen. Er wird außergewöhnlich nervös und verhält sich für einen Offizier seiner Herkunft und seiner Erfahrung höchst eigenartig... Außerdem, Herr Minister, hat er mich angewiesen, mit einer höchst ungewöhnlichen Bitte an den Präsidenten der Vereinigten Staaten heranzutreten. «
»Was ist das für eine Bitte?«
»Daß eine Geheimakte aus den Archiven des Außenministeriums mit intakten Siegeln an ihn übergeben werden soll, ehe er mit Heinrich Kroeger Kontakt aufnimmt.«
Brayduck nahm die Pfeife aus dem Mund, um einen Einwand vorzubringen.
»Einen Augenblick noch, Mr. Brayduck.« Mag sein, daß Brayduck brillant ist, dachte Hull, aber ob er wohl eine Ahnung hatte, was es für einen Laufbahnoffizier wie Ellis bedeutete, vor ihnen beiden zu stehen und eine Aussage zu machen? Denn seine Aussage lief auf ein Gesuch an das Weiße Haus und das Außenministerium hinaus, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, Canfields Bitte zu erfüllen. Viele Offiziere hätten lieber diesen gesetzwidrigen Vorschlag abgelehnt, als zuzulassen, daß sie in eine solche Position gerieten. So war das Militär eben. »Gehe ich richtig in der Annahme, daß Sie die Freigabe dieser Akte an Major Canfield befürwortet haben?«
»Die Entscheidung würden Sie treffen müssen. Ich weise nur darauf hin, daß Heinrich Kroeger praktisch an jeder wesentlichen Entscheidung der Nazihierarchie seit deren Entstehung teilhatte.« «
»Könnte es den Krieg abkürzen, wenn sich Heinrich Kroeger auf unsere Seite schlüge?«
»Ich weiß nicht. Die Möglichkeit, daß es so sein könnte, führt mich in Ihr Büro.«
»Was ist das für eine Akte, die dieser Major Canfield verlangt? « Brayduck war sichtlich verstimmt.
»Ich kenne nur die Nummer und die Geheimhaltungsstufe, die mir die Archivabteilung des Außenministeriums genannt hat.«
»Und die lauten?«
Wieder beugte sich Cordell Hull vor.
Ellis zögerte. Es konnte sowohl persönlich als auch beruflich höchst peinlich werden, wenn er Einzelheiten der Akte bekanntgab, ehe er Hull Daten über Canfield geliefert hatte. Er hätte das tun können, wäre Brayduck nicht zugegen gewesen.
Diese verdammten Collegeboys! Ellis fühlte sich in ihrer Gegenwart immer unsicher. Diese Burschen redeten so
schnell. Verdammt, dachte er. Dann beschloß er, ganz offen zu sprechen.
»Ehe ich Ihnen Antwort gebe, würde ich Ihnen gern einiges Hintergrundmaterial vortragen, das ich für höchst relevant halte – nicht nur relevant... Es steht mit der Akte in Zusammenhang. «
»Ich bitte darum.« Hull wußte nicht recht, ob er verärgert oder fasziniert
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