Das Scarlatti-Erbe - Ludlum, R: Scarlatti-Erbe
Bastard!«
»Andy! Zurück!« Canfield zog den Jungen weg.
»Unehelich!« Heinrich Kroegers Augen schwammen in ihren Höhlen. »Es gehört dir! Deshalb bist du hier! Du mußt es wissen! Du wirst es verstehen und uns einen neuen Anfang bringen! Denk doch! Denk an die Aristokratie! Für dich – für dich... « Er griff mit der nur schwer beweglichen Hand in die Innentasche und holte ein Stück Papier heraus. »Die gehören dir. Nimm sie!«
Canfield ergriff das Papier und gab es, ohne einen Blick darauf zu werfen, an Andrew Scarlett weiter.
»Das sind Zahlen. Nur eine Menge Zahlen.«
Matthew Canfield wußte, was die Zahlen bedeuteten, aber ehe er es erklären konnte, sprach Kroeger weiter. »Das sind Schweizer Konten, mein Sohn. Mein einziger Sohn. Sie enthalten Millionen! Millionen! Aber es gibt da bestimmte Bedingungen. Bedingungen, die du lernen und dann begreifen wirst. Wenn du älter bist, wirst du wissen, daß diese Bedingungen erfüllt werden müssen. Und du wirst sie erfüllen. Weil diese Macht die geeignete Macht ist, um die Welt zu verändern. Auf die Art, wie wir sie verändern wollten.«
Der Junge sah die deformierte Gestalt in dem Sessel an. »Erwarten Sie jetzt von mir, daß ich Ihnen danke?«
»Eines Tages wirst du das tun.«
Matthew Canfield hatte genug. »Das reicht jetzt! April Red hat seine Nachricht. Jetzt will ich es haben! Was liefern Sie?«
»Es ist draußen. Helfen Sie mir aufstehen, dann gehen wir hin.«
»Niemals! Was ist draußen? Ihre Leute in Ledermänteln?«
»Da ist niemand. Niemand außer mir. «
Canfield sah das Wrack von einem Mann vor sich an und glaubte ihm. Er machte Anstalten, Heinrich Kroeger beim Aufstehen behilflich zu sein.
»Warte hier, Andy, ich bin gleich wieder da.«
Major Matthew Canfield, in voller Uniform, half dem Krüppel im braunen Tweed die Treppe hinunter in den Vorraum. Dort brachte ein Angestellter die Krücken, die der Nazi abgelegt hatte, als er sein Zimmer erreicht hatte. Der amerikanische Major und der Nazi gingen ins Freie.
»Wohin bringen Sie mich, Kroeger?«
»Glauben Sie nicht, daß es Zeit ist, mich bei meinem richtigen Namen anzusprechen? Ich heiße Scarlett. Oder, wenn Sie wollen, Scarlatti.« Der Nazi führte ihn nach rechts, weg von der Einfahrt, ins Gras.
»Sie sind Heinrich Kroeger. Das ist alles, was Sie für mich sind.«
»Sie erkennen natürlich, daß Sie es waren, und nur Sie, der die Schuld an unserem Rückschlag in Zürich trug. Sie haben unseren Zeitplan um gute zwei Jahre zurückgeworfen. Niemand hat je etwas geahnt. Sie waren ein Esel!« Heinrich Kroeger lachte. »Vielleicht braucht es einen Esel, um das Bild eines Esels zu malen!« Er lachte wieder.
»Wohin gehen wir?«
»Nur ein paar hundert Meter. Sie können ja wieder Ihren Revolver auf mich richten, wenn Sie mögen. Da ist niemand. «
»Was werden Sie mir geben? Sie können es mir ruhig sagen. «
»Warum nicht? Sie werden sie früh genug in Händen halten. « Kroeger humpelte auf ein freies Feld zu. »Und wenn Sie sie haben, bin ich frei. Vergessen Sie das nicht.«
»Wir haben einen Handel abgeschlossen. Was ist es?«
»Die Alliierten werden sich freuen. Eisenhower wird Ihnen wahrscheinlich einen Orden verleihen. Sie werden die vollständigen Pläne der Berliner Befestigungen erhalten. Nur die Elite des deutschen Oberkommandos kennt sie... Unterirdische Bunker, Raketenbatterien, Nachschubdepots, selbst der Befehlsbunker des Führers. Sie werden ein Held sein,
und ich werde nicht existieren. Wir haben gute Arbeit geleistet, Sie und ich.«
Matthew Canfield blieb stehen.
Die Pläne der Berliner Befestigungen waren schon vor Wochen von der Alliierten Abwehr beschafft worden.
Berlin wußte das.
Berlin gab es zu.
Jemand war in eine Falle gelockt worden, aber nicht er, nicht Matthew Canfield. Das Nazi-Oberkommando hatte einen der Seinen in den Rachen des Todes geführt.
»Sagen Sie mir, Kroeger, was passiert, wenn ich Ihre Pläne - das, was Sie gegen April Red eingetauscht haben – nehme und Sie nicht gehen lasse? Was passiert dann?«
»Ganz einfach. Dönitz selbst hat meine Aussage aufgenommen. Ich habe sie ihm vor zwei Wochen in Berlin gemacht. Ich habe ihm alles gesagt. Wenn ich in ein paar Tagen nicht wieder in Berlin bin, wird er sehr beunruhigt sein. Ich bin sehr wertvoll. Ich rechne damit, meinen Auftritt zu machen und dann – zu verschwinden. Wenn ich nicht erscheine, erfährt es die ganze Welt!«
Matthew Canfield dachte, was für eine seltsame Ironie
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