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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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gefunden.« Der Araber sagte aber zu den Bewohnern des Ortes: »Das ist nicht wahr! Ihr habt meinen Sohn nicht tot gefunden, sondern ihr habt ihn totgeschlagen!« Die Bewohner des Ortes sagten: »Nein, wir haben nichts Derartiges getan. Es muß irgendein anderer getan haben.« Die Bewohner des Ortes stritten gegen den Araber. Der Araber wollte zwei Leute aus dem Ort töten. Die Bewohner des Ortes sagten aber: »Töte niemand! Wenn wir auch am Tode deines Sohnes unschuldig sind, so wollen wir doch lieber Sühne zahlen, als daß es zu einem Streit komme. Sage nur, was du verlangst!« Der Araber sagte: »Zahlt mir hundert Kühe!« Die Leute sagten: »Wir wollen dir hundert Kühe zahlen, damit Frieden bleibe!« Der Araber war einverstanden. Die Leute zahlten die hundert Kühe, und der Araber rief Mussa. Mussa kam. Der Araber sagte: »Du Mann meiner Schwester und du Freund! Nimm dein Weib, nimm diese hundert Stück Rindvieh und alles, was ich dir sonst geben kann. Ziehe mit allem andern dann fort von hier, schlage eine eigene Seriba auf und sieh zu, was sonst wird.«
    Darauf packte Mussa alles zusammen, was er der Freundlichkeit des Arabers verdankte, und zog mit seinem Weibe, das die Schwester des Arabers war, und allem Rindvieh von dannen und baute eine eigene Seriba. Nach einiger Zeit aber gebar seine Frau einen Knaben. Das Vieh Mussas war aber auch fruchtbar, und so vermehrte sich sein Besitz von Tag zu Tag und von Monat zu Monat. Der kleine Sohn, den Mussa von seiner Frau, der Schwester des Arabers, hatte, wuchs heran und wurde ein schöner und starker Jüngling.
    Mussa achtete aber darauf, wie groß sein Sohn sei und wie alt. Als er so groß und so alt war, wie der Sohn des Arabers, den er, Mussa, eines Nachts erschlagen hatte, schrieb Mussa einen Brief, in dem stand: »Versehentlich habe ich eines Nachts Deinen Sohn erschlagen, als er groß und stark war, wie der Bursche, der Dir diesen Brief bringt. Damals hatte ich schon Deine Schwester von Dir zur Frau erhalten, daß ich Kinder mit ihr zeuge. Sie hat mir dann den Sohn geboren, der so groß und stark ist wie Deiner war. Somit schicke ich Dir denn den Sohn hiermit zu und bitte Dich, daß Du meinen Sohn tötest, so wie ich einst Deinen Sohn getötet habe.« Diesen Brief schrieb Mussa. Dann rief er seinen eigenen Sohn und sagte zu ihm: »Mache dich auf, bringe diesen Brief dem Araber, der der Bruder deiner Mutter ist.« Der Bursche nahm den Brief und brachte ihn seinem Onkel.
    Der Araber begrüßte den Burschen, nahm den Brief und las ihn. Dann rief er alle Leute des Ortes zusammen und sagte: »Hört diesen Brief!« Danach las er den Brief Mussas vor und sagte: »Diesen Brief schrieb mir Mussa, dem ich vorher meine Schwester zur Frau gab. Ich weiß also nunmehr, wer damals meinen Sohn, wenn auch versehentlich, getötet hat. Sagt ihr mir nun aber, was ich tun soll. Soll ich den Sohn meines Schwagers Mussa töten oder nicht?« Die Leute des Ortes antworteten aber: »Höre, Hammad Abu Kallam! Diese ganze Sache ist deine Sache, so wie der Wille der Entscheidung dein Wille ist. Bedenke nur, daß, wenn du diesen Burschen tötest, der das Kind deiner Schwester ist, du gewissermaßen dein eigenes Kind tötest.« Der Araber Hammad Abu Kallam hörte das an, erwog es und sagte: »Ich denke, wie ihr denkt. Anstatt den Sohn meiner Schwester und Mussas zu töten, will ich ihm meine eigene Tochter zur Frau geben.«
    Dann ließ der Araber ein Schaf schlachten, rief den Sohn Mussas und empfing ihn mit freundlichen Worten. Er gab dem Sohne Mussas seine Tochter zur Frau, schenkte ihm Geld und Schafe und sagte: »Kehre mit all diesem als dem Deinen zu deinem Vater zurück. Grüße deinen Vater und grüße deine Mutter, meine Schwester, und sage, ich würde bald selbst hinterherkommen und mich an ihrem Wohlergehen einige Tage erfreuen.« So kehrte denn Mussas Sohn reich beschenkt mit Weib und Besitz, statt mit dem Tode heim. Und wenige Tage später kam der Araber Hammad Abu Kallam hinter ihm her und schlug sein Lager bei Mussa auf. Er begrüßte Mussa, und als es Nacht wurde, legte er sich vor der Seriba neben seinem Pferd auf die Erde.
    Hammad Abu Kallam spielte erst noch ein weniges auf der Rababa. Dann legte er das Instrument zur Seite und schlief ein. Derweilen schlichen sich zwei Diebe heran. Einer derselben stellte sich mit dem Speer über den Kopf des Arabers hin und sagte: »Wenn er sich rührt, werde ich ihn töten.« Der Araber wachte auf. Er sah alles, was vorging. Der Araber

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