Das scharze Decameron
sagte: »Ich will nicht schreien. Ich will nur die Rababa spielen.« Während der zweite Dieb nun die Fußgurte des Pferdes löste und der erste den Speer über den Kopf des Arabers hielt, spielte der Araber auf der Rababa: »Meine Schwester Scherifia! Meine Schwester Scherifia! Ein Dieb steht an meinem Kopfe und hält den Speer über mich, um mich zu töten, und ein anderer Dieb ist zu meinen Füßen damit beschäftigt, die Gurte meines Pferdes abzukoppeln und es zu stehlen! Höre das, meine Schwester Scherifia!«
Die Diebe erkannten nicht den Sinn des Gesanges und Spieles auf der Rababa. Scherifia, die Schwester Hammad Abu Kallams, die Frau Mussas, verstand aber den Gesang. Sie weckte Mussa, ihren Mann, und sagte: »Mussa mein Gatte, wache auf! Draußen ist ein Dieb, der will das Pferd meines Bruders rauben, während ein zweiter seine Lanze über seinem Haupte hält, um ihn zu töten, wenn er sich rührt.« Mussa erhob sich. Er nahm den Speer. Er ging zum Seribaeingang. Er warf seine Lanze. Er tötete den, der das Pferd rauben wollte, so daß der tot hinsank, der andere aber, der den Hammad Abu Kallam mit dem Speer bedrohte, erschreckt von dannen lief.
Als das geschehen war, sagte Mussa: »Wie kamen diese Leute hierher? Niemals waren hier Diebe in der Gegend. Das ist etwas, was hier nie vorher geschehen ist.« Hammad Abu Kallam sagte: »Es waren Pferdediebe. Die Pferdediebe ziehen über das ganze Land hin.« Mussa sagte: »Es ist gut, daß einer getötet ist.« Hammad Abu Kallam sagte: »Ja, es ist ein Glück für mich. Du hast mir das Leben erhalten, das diese Hunde hinwegtragen wollten. Ich werde dich aber morgen wieder verlassen.«
Am andern Morgen nahm Hammad Abu Kallam von seiner Schwester und seiner Tochter, von Mussa und dessen Sohn Abschied, um sich wieder zurückzubegeben an seinen Ort.
Als der Araber aber fortgeritten war, sagte Mussa bei sich: »Ich war ganz verarmt und tief elend; da hat dieser Hammad Abu Kallam mich wohlhabend gemacht und hat mir seine Schwester zur Frau gegeben. Als er mich so wieder zu einem angesehenen und glücklichen Manne gemacht hatte, tötete ich seinen Sohn. Er aber ließ mich das nicht entgelten, sondern beschenkte mich nochmals reich, so daß ich wieder Herr meines eigenen Ortes werden konnte. Mein eigener Sohn wuchs heran, und ich sandte den an Hammad Abu Kallam, damit er ihn töte, wie ich seinen Sohn getötet habe. Er hat dies aber nicht getan, sondern er gab mir reiche Geschenke, er gab ihm die eigene Tochter zur Frau und entließ ihn wie ein eigenes Kind. Ich tat ihm Schlechtes, er aber hat es wieder und immer wieder mit Gutem erwidert. Ich weiß nicht mehr, was ich tun kann. Ich kann ihn nicht mehr leben lassen. Ich muß ihm folgen; ich muß ihn töten.«
Mussa bestieg sein Pferd. Mussa nahm seine Lanze. Mussa ritt hinter Hammad Abu Kallam her. Mussa erreichte Hammad Abu Kallam. Mussa rief ihn an und sagte: »Höre mich! Warte auf mich! Du hast mir immer wieder so viel Gutes getan, daß ich dich nicht leben lassen kann. Ich muß dich töten!« Hammad Abu Kallam sagte: »Weshalb willst du mich töten, wo ich dir doch nichts Böses getan habe?« Mussa sagte: »Nein, du hast mir nichts Böses getan! Du hast mir immer nur Gutes getan; du hast mir aber so viel Gutes getan, daß ich es dir nicht vergelten könnte, wenn ich mein ganzes Leben lang als dein Diener arbeiten würde. Deshalb kann ich dich nicht mehr sehen. Deshalb muß ich dich töten.« Und Mussa nahm den Speer auf und warf ihn nach Hammad Abu Kallam. Der bog sich aber zur Seite, und der Speer Mussas flog über ihn weg in den nächsten Busch. Hammad Abu Kallam zog den Speer heraus. Er reichte ihn Mussa zurück und sagte: »Nimm ihn wieder, aber töte mich nicht; denn ich habe dir nichts Böses getan, und ich will dir nichts Böses tun.« Mussa sagte: »Ich kann dich nun nicht mehr leben lassen, denn du hast mir schon zuviel Gutes getan!« Als Hammad Abu Kallam das hörte, warf er sein Pferd herum, floh, und er entrann Mussas Speer.
Hammad Abu Kallam kam an seinen Ort. Er rief die Dorfleute zusammen und sagte: »Jener Mussa, der meinen Sohn getötet hat und an dessen Sohn ich trotzdem meine Tochter gegeben habe, wollte mich heute töten, weil er mich nicht mehr leben sehen kann. Ich aber bin ihm entflohen.« Als die Dorfleute das hörten, sagten sie zu dem Araber: »Dann wollen wir alle unsere Waffen nehmen. Dann wollen wir alle hingehen und diesen Mussa fangen.« Die Dorfleute gingen fort; jeder nahm seinen
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