Das scharze Decameron
mit nach Hause. Daheim aber ließ er es in seiner Seriba in einem Verschlag frei und gab ihm zu fressen. Zuletzt hatte er so viele Tiere der Wüste in seinem Hause, daß die Leute des Ortes, in dem er wohnte, sich vor ihm zu fürchten begannen, und daß sie zu guter Letzt zu ihm kamen und sagten: »Unser Freund Mussa, du bist zwar sehr reich und stark, du bist zwar reicher und stärker als wir alle, du hast aber nun so viele wilde Tiere in deiner Seriba, daß wir uns vor dir fürchten und dich bitten, einen andern Platz aufzusuchen und an einem andern Platz deine Seriba mit den wilden Tieren aufzuschlagen.« Darauf machte sich Mussa auf, bepackte seine Kamele, Ochsen und Pferde und zog an einen fernen Ort in der Wüste. Mussa hatte aber sieben Söhne, die liebte er sehr, und diese halfen ihm bei dem Zug in die Wüste.
Als Mussa seine Seriba aufgeschlagen hatte, ließ er eines Tages sein Pferd satteln, ergriff seine Lanze und sagte: »Meine sieben Söhne, ich ziehe fort zur Jagd. Bewacht ihr die Seriba.« Dann ritt er fort. Als er aber noch nicht lange fortgeritten war, kamen Räuber, schlichen sich an die Seriba, drangen hinein, schlugen die sieben Söhne Mussas tot und trieben alles Vieh von dannen, so daß nichts mehr davon dort blieb und daß, als Mussa endlich von der Jagd heimkam, das Lager schweigend dalag. Mussa war über die Stille sehr erstaunt und sagte: »Ich höre kein Pferd, keinen Esel, kein Kamel, kein Rindvieh, keine Schafe, keine Ziegen und keinen meiner Söhne.« Mussa band sein Pferd draußen an einen Pfahl und ging in seine Seriba. Mussa ging in die Seriba und fand alle Viehhürden leer. Mussa traf auf die Leichen seiner Söhne. Mussa war in großer Wut. Er rief den Namen seiner ersten Frau. Seine erste Frau, die gerade schwanger war, hatte sich aber in ihrer Hütte versteckt und kauerte da am Boden. Sie wagte nicht zu antworten. Mussa rief wieder den Namen seiner ersten Frau, und als sie nicht antwortete, stieß er in noch wachsender Wut seine Lanze durch die Wand.
Das Weib schrie innen auf. Die Lanze hatte ihren Leib getroffen und das Kind in ihrem Leib getötet. Die Frau und das Kind starben in dem Moment, als Mussa hereintrat. In ihrer Todesangst schleuderte die Frau aber ein Holzscheit nach dem Eintretenden, denn sie erkannte Mussa nicht mehr. Das Holzscheit traf Mussa am Kopfe und zerstörte ihm ein Auge. Mussa trat zurück und ging zu dem Hause seiner zweiten Frau. Er traf sie; er rief sie. Er wollte mit seiner zweiten Frau den Platz verlassen und ging zum Eingang der Seriba, an dem er sein Pferd draußen angebunden hatte.
Inzwischen hatte sich aber ein Löwe, angelockt durch den Blutgeruch der getöteten Söhne, an die Seriba herangeschlichen. Er kam zu dem Pferd. Er sprang auf das Pferd und tötete es. Mussa kam gerade in diesem Augenblick. Mussa rannte mit seiner Frau so schnell er konnte von dannen. Er stieg mit seiner Frau auf einen Baum. Der Löwe packte aber die Frau am Bein, riß sie herab und tötete sie. Dann fraß der Löwe unten die Frau, während Mussa oben in den Zweigen hockte. Die ganze Nacht blieb der Löwe unter dem Baum, und erst am andern Morgen konnte Mussa herabsteigen und weiterwandern. Als Mussa weiterging, besaß er nichts mehr als die zerrissenen Kleider, die er auf dem Leibe hatte.
Mussa ging weiter. Er kam an eine Elefantenfallgrube. Da sie mit Zweigen bedeckt war, auf die er trat, stürzte er hinab. Nachdem Mussa einige Zeit auf dem Boden der Elefantenfallgrube gelegen hatte, kamen Elefanten des Weges, und ein Elefant stürzte herab und fiel so auf Mussa, daß Mussa nicht mehr imstande war, sich zu bewegen. So lag Mussa die ganze Nacht. Am andern Morgen kamen aber die Leute, die die Fallgrube angelegt hatten, und sahen den Elefanten unten liegen. Darauf stiegen sie hinab, schnitten den Elefanten auf und nahmen die Fleischstücke heraus. Als sie aber das letzte hinauftrugen, fanden sie einen Mann. Sie zogen den Mann unter dem Fell des Elefanten hervor und brachten ihn nach oben aus der Grube. Als sie nun im Lichte der Sonne den Mann, den sie in seinen Lumpen und von oben bis unten beschmutzt, zerstoßen und zerfetzt durch Wurzeln und Steine, mit einem ausgeschlagenen Auge und verwundeten Gliedern vor sich stehen sahen, riefen sie: »Ist das nicht Mussa? Ist das nicht der reiche und starke, der glückliche Mussa?« Einige Leute sagten: »Seht, wie elend er geworden ist!« Ein Mann sagte: »Dieser Mussa hat mir einmal einen Verwandten getötet. Damals war Mussa
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