Das scharze Decameron
hinein.« Der Richter kroch, nackt wie er war, hinein. Die Hure schloß zu, zog den Schlüssel ab und steckte ihn zu sich.
Der Bürgermeister kam herein. Er stellte seine Lanze an die Seite, warf seine Kleider eilig in einen Winkel und kam zu der Hure ins Bett. Die Hure scherzte mit ihm, ohne ihm Befriedigung zuteil werden zu lassen, und sie trieb das Spiel, bis draußen Schritte ertönten. Der Bürgermeister fragte hastig: »Kommt da jemand?« Die Hure sagte: »Das wird mein jüngerer Bruder sein!« Der Bürgermeister sagte: »Der, den wir zu hundert Peitschenhieben verurteilten?« Die Hure sagte: »Derselbe.« Der Bürgermeister sagte: »Ach, der darf mich hier nicht sehen! Verstecke mich!« Die Hure stellte darauf einen dritten Koffer auf den zweiten, in dem der Richter war. Sie sagte: »Komm hier hinein!« Der Bürgermeister kroch, nackt wie er war, hinein. Die Hure schloß zu, zog den Schlüssel ab und band ihn mit den anderen beiden zusammen.
Die Hure hieß ihren Bruder hereintreten. Sie sagte: »Ich habe dir versprochen, dir die drei Männer zu überantworten, die dich zu der unwürdigen und unverdienten Strafe verurteilt haben. Hier siehst du nun die Kleider und Abzeichen dieser Männer in den Winkeln liegen. Dort steht die Lanze des Bürgermeisters. In diesen drei Koffern sind die drei Leute selbst. Hier hast du die Schlüssel zu den Koffern!« Der Bruder sagte: »Die Koffer sind zu schwer, die kann ich nicht fortschleppen, ich will aber die Kleider und die Schlüssel zu den Koffern zu mir nehmen, um bei dem Richter einer benachbarten Stadt zu klagen.«
Er nahm die Sachen und ging damit von dannen.
Am anderen Morgen erwartete die versammelte Gemeinde der Gläubigen den Almami, auf daß er das Gebet beginne. Aber er kam nicht. Darauf wurden die Leute unruhig und sagten: »Wir wollen zum Richter gehen, damit der den Almami suchen läßt.« Die Volksmenge strömte zum Richter. Die Leute des Richters sagten: »Seit gestern abend haben wir den Richter nicht mehr gesehen.« Darauf machte sich die Menge auf, und alle Welt lief nun zu dem Quartier des Bürgermeisters. Sie riefen: »Der Bürgermeister muß das regeln! Der Bürgermeister muß den Almami und den Richter suchen lassen.« Im Gehöft des Bürgermeisters waren nur die Frauen daheim. Die sagten mürrisch: »Er war in der letzten Nacht bei keiner von uns.« Als die Menge das hörte, bemächtigte sich ihrer große Angst.
Inzwischen konnte der Bürgermeister, der im obersten Koffer im Hause der Hure war, seine Notdurft nicht mehr anhalten, denn er hatte in der letzten Nacht recht viel getrunken. So begann er denn ordentlich zu pissen, das Wasser lief durch die Ritzen in den zweiten Koffer auf den Richter, und der rief: »Bürgermeister, halt an!« Der Bürgermeister erkannte den Richter an der Stimme und sagte: »Bist du auch da?« Darauf hielt auch der Richter seine Notdurft nicht mehr in Schranken und pinkelte, so daß der Almami im untersten Koffer ein zweites Bad erhielt und rief: »Hör' auf, Richter, hör' auf! Ich, der Almami, bin ja unter euch!« Darauf sagte der Bürgermeister: »Wenn wir alle drei hier sind, dann wollen wir doch schreien!« Der Almami sagte: »Wir wollen nicht schreien!« Der Bürgermeister begann aber aus seinem Koffer heraus zu schreien.
Das Schreien hörte die Menge, die ängstlich durch die Straßen eilte. Einige Leute sagten: »Kommt, bei der Hure prügeln sich zwei Männer!« Alles kam angerannt. Die Leute sahen keinen Menschen im Hause, aber die Pisse, die aus dem Koffer gelaufen war. Sie hörten Stöhnen und Rufen.
Da brachen die Leute die drei Koffer auf und der Bürgermeister, der Richter und der Almami kamen ganz nackt herausgekrochen.
Kallondji und sein Sohn
Mande
Kallondji (= Ndji der Lügner) und Tonjandji (= Ndji der Wahrhaftige, der immer die Wahrheit sagt) gingen zusammen auf Reisen. Tonjandji sagte: »Wer von uns beiden ist Silatigi (der Reisechef)?« Kallondji sagte: »Ich will Silatigi sein!« Tonjandji sagte: »Nein, ich will Silatigi sein.« Kallondji sagte: »Nein, ich will Silatigi sein!« Tonjandji sagte: »Du kannst drei Tage vor mir abmarschieren, und ich werde dich in einer Stunde einholen. Deshalb ist es besser, wenn ich Silatigi bin.« Da sagte Kallondji: »So sei du Silatigi; wir wollen es versuchen.«
Die beiden wanderten ab. Sie kamen am Abend des ersten Tages an ein Dorf, dessen Häuptling begrüßte sie und fragte: »Wo kommt ihr her?« Tonjandji sagte: »Wir kommen aus Tonjadugu« (aus
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