Das scharze Decameron
von dannen und floh in eine entfernte Gegend.
Hurenrache
Mande
Die Hure wohnte in einer Stadt, die so weit von Bamako fortliegt wie Mekka. Sie hatte die Gewohnheit, nie auf die Straße zu gehen, sondern empfing jeden Abend alle ihre Freunde bei sich, und da ging es dann sehr vergnügt zu. Diese Hure hatte einen jüngeren Bruder. Eines Tages verbreitete sich das Gerücht, daß er mit einer Frau gehurt habe, und wenn man auch keine Zeugen beibringen konnte, weil das Gerücht nämlich nicht auf wahren Tatsachen beruhte, so verurteilte der Richter den jungen Burschen doch zu 100 Peitschenhieben. Der Bürgermeister, an den der junge Mann sich wandte, bestätigte das Urteil und ebenso der Almami (das religiöse Oberhaupt). Darauf begab sich die Hure zu dem Gericht und sagte: »Es ist an dem Gerücht nichts Wahres, und ihr verurteilt meinen jüngeren Bruder zu Unrecht, aber um ihm die Schande zu ersparen, will ich gern eine Goldbuße zahlen.« Da wurde ihr geantwortet: »Und wenn du bereit wärest, so viel zu zahlen, wie dein Bruder wiegt, so müßten wir ihn doch auspeitschen!« Somit erhielt der Bursche seine hundert Peitschenhiebe.
Die Hure sagte danach zu ihrem Bruder: »Alle drei haben dich verurteilt. Ich werde dir Gelegenheit geben, jedem von den dreien hundert Peitschenhiebe verabfolgen zu lassen.« – Am dritten Tage danach zog sich die Hure sehr schön an und ging dahin, wo der Almami war. Sie schritt an ihm vorüber. Der Almami sagte: »Du sagst mir nicht guten Tag?« Sie sagte: »Ich habe es gesagt, du hast es nur nicht gehört!« Der Almami sagte: »Du gehst heute aus? Das ist doch sonst nicht deine Gewohnheit!« Die Hure sagte: »Du fragst mich nach dem Verwunderlichen und begehst doch selbst das Verwunderliche, daß du nie zu mir kommst, wie die anderen Männer dieser Stadt!« Der Almami sagte: »Ich würde schon kommen, aber es sind immer soviel Männer bei dir.« Die Hure sagte: »Wenn das der Grund ist! Heute um halb sieben Uhr zum Beispiel sind keine Männer bei mir!« Der Almami sagte: »Wirklich?« Die Hure sagte: »Bei deiner Gerechtigkeit!« Der Almami sagte: »Dann werde ich heute um halb sieben Uhr zu dir kommen.«
Die Hure ging weiter. Sie kam am Hause des Richters vorbei. Der richtete an sie die gleiche Frage wie der Almami. Sie unterhielten sich in gleicher Weise und verabredeten, daß der Richter um acht Uhr bei ihr niemand antreffen würde – »bei seiner Gerechtigkeit«.
Die Hure ging weiter. Sie kam am Hause des Bürgermeisters vorbei. Der richtete an sie die gleiche Frage wie der Almami und der Richter. Sie unterhielten sich in gleicher Weise und verabredeten, daß der Bürgermeister um Mitternacht bei ihr niemand antreffen würde – »bei seiner Gerechtigkeit«.
Dann suchte die Hure ihren jüngeren Bruder auf und sagte zu ihm: »Komm heute nacht nach Mitternacht zu mir, dann wirst du Gelegenheit erhalten, mit den Leuten, die dir die hundert Peitschenhiebe geben ließen, abzurechnen.«
Der Almami hatte kaum sein Gebet vor der Gemeinde gesprochen, als er schon, ohne erst zu essen, in das Haus der Hure eilte. Er schleuderte seine bunten Kleider in eine Ecke und kam zu der Hure auf das Bett. Die Hure scherzte mit ihm, ohne ihm Befriedigung zuteil werden zu lassen, bis acht Uhr. Da hörte man Schritte kommen. Der Almami fragte hastig: »Kommt da jemand?« Die Hure sagte: »Ist es denn schon acht Uhr, dann ist es der Richter.« Der Almami fragte: »Kommt der öfter zu dir?« Die Hure sagte: »Nein, er kommt heute zum erstenmal!« Der Almami sagte: »Ach, der darf mich nicht sehen! Verstecke mich!« Es standen drei große Koffer im Zimmer. Die Hure sagte: »Komm hier hinein!« Sie öffnete einen Koffer, und der Almami kroch schleunigst, nackt wie er war, hinein. Die Hure schloß zu, zog den Schlüssel ab und steckte ihn zu sich.
Der Richter kam herein. Er warf seine Amtskleider eilig in einen Winkel und kam zu der Hure aufs Bett. Die Hure scherzte mit ihm, ohne ihm Befriedigung zuteil werden zu lassen, und trieb dies Spiel bis Mitternacht. Da hörte man Schritte kommen. Der Richter fragte hastig: »Kommt da jemand?« Die Hure sagte: »Ist es denn schon zwölf Uhr? Dann ist es der Bürgermeister.« Der Richter fragte: »Kommt der öfter zu dir?« Die Hure sagte: »Nein, er kommt heute zum erstenmal.« Der Richter sagte: »Ach, der darf mich nicht sehen! Verstecke mich!« Die Hure stellte darauf einen zweiten Koffer auf den ersten, in dem der Almami verborgen war. Sie sagte: »Komm hier
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