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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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Weinstocks genießen. Wenn dir dies nicht gelingt, werde ich dich morgen abend töten lassen.«
    Der Sohn ging betrübt von dannen. Er trat betrübt in sein Serail und warf sich betrübt auf die Kissen. Nach einiger Zeit kam seine schöne junge Frau. Sie strich ihm über die Haare und sagte: »Sage mir deinen Kummer!« Darauf erzählte der Sohn des Emir, was sein Vater von ihm verlangt habe. Als er berichtet hatte, lachte die Tochter des Alledjenukönigs und sagte: »Wenn es weiter nichts ist, so kann das leicht geschehen. Bringe Wasser aus dieser kleinen Flasche in den Garten deines Vaters. Stecke ein Stück trockenen Reisigs in die damit angefeuchtete Erde und sage deinem Vater nur, er solle bestimmen, wieviel Trauben an dem Weinstock sein sollen.« Der Sohn nahm die Flasche, die seine Frau ihm reichte, bestieg wieder sein Pferd und ritt in den Garten. Dort pflanzte er das Reisig und ging dann zu seinem Vater und sagte: »Nun brauchst du nur zu bestimmen, wieviel Trauben an dem Weinstock sein sollen, und alles ist in Ordnung.« Dann ritt der Sohn des Emir wieder fort. Als aber am andern Tag die Gäste des Emir versammelt waren und in den Garten gingen, da war aus dem trockenen Reisig ein großer Weinstock aufgewachsen, und jeder der Gäste konnte sich eine große, volle Traube abpflücken.
    Der Emir ward dadurch aber nur noch zorniger. Er ließ am andern Morgen wieder seinen jüngsten Sohn kommen und sagte zu ihm: »Mein Sohn, sorge dafür, daß morgen um diese Stunde neben meinem Hause ein Garten mit Wassermelonen angelegt ist, der überall Früchte zeigt.« Der Sohn sagte: »Das soll da sein, wo jetzt nur Sand ist?« Der Emir sagte: »Jawohl, eben da sollen morgen abend viele Melonen reif sein, denn ich habe viele Leute zu Gast, und jedem will ich eine Melone vorsetzen.« Der Sohn ging nach Hause. Der Sohn des Emir suchte seine Frau auf und erzählte ihr von dem neuen Befehl und der wiederholten Drohung seines Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs lachte und sagte: »Das ist wieder sehr einfach. Nimm dieses Wasser und diese Kerne und mische beides mit Erde von dem Sandplatz. Dann wirf das Gemischte über den Sandplatz hin.« Der Sohn des Emir tat, wie seine Frau ihm geboten hatte. Als der Emir am andern Tag den Sandplatz betrat, fand er ihn bedeckt mit den Ranken der Wassermelonen, an denen so viele Früchte hingen, daß ein jeder Mann des Ortes eine oder auch mehrere erhalten konnte. Als der Emir sah, daß sein Sohn auch das zu vollenden vermocht hatte, wurde er über alle Maßen zornig, und in seiner Wut rief er einen seiner Freunde beiseite und sagte zu ihm: »Sage mir doch etwas, was ich meinem Sohne anbefehlen und was er doch unmöglich ausführen kann, damit ich einen Grund finde, ihn wegen Ungehorsams zu töten.« Der Freund sagte: »So fülle doch ein Haus mit Brot und Fleisch und verlange, daß er es in einer Nacht verzehre.« Der Emir sagte: »Das ist wahr!«
    Am andern Tag rief der Emir seinen jüngsten Sohn und sagte: »Heute abend werde ich dich in ein Haus einschließen, das ich mit Brot und Fleisch fülle. Bis morgen früh muß das alles verzehrt sein, oder ich lasse dich töten.« Der Sohn des Emir ging nach Hause und erzählte seiner Frau von dem neuen Befehl des Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs lachte aber und sagte: »Laß dich ruhig einschließen. Die Zeit eines Augenaufschlags genügt meinen Leuten, um mehrere Häuser voller Speise zu leeren.« Abends ging der Sohn zum Emir und ließ sich von ihm in das Haus voller Brot und Fleisch einschließen. Er legte sich auf die Erde zum Schlafen nieder, und als man am andern Tag das Haus öffnete und ihn herausrief, war von allem Brot und Fleisch auch nicht mehr so viel übrig, daß eine Maus es hätte zwischen den Zähnen und der Zunge spüren können.
    Nun aber entschloß sich der Emir, einen Befehl zu geben, dessen Ausführung undenkbar war, denn er sehnte sich alle Tage mehr danach, seine Schwiegertochter zu ehelichen und wollte also seinen Sohn deshalb auf alle Fälle töten. Er ließ also seinen jüngsten Sohn rufen und sagte: »Mein Sohn, nun höre meinen letzten Befehl. Ich will, daß ein Kind, das heute abend geboren wird, morgen früh schon gehen und sprechen kann. Wenn du das nicht vermagst, mußt du sterben.« Der Sohn des Emir ging zu seiner Frau und erzählte ihr den neuesten Befehl seines Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs sagte: »Ich sehe jetzt, daß dein Vater mich auf jeden Fall ehelichen und dich töten will. Rufe

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