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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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Er befühlte es vorsichtig mit der Hand. Da seufzte das Girdaweibchen im Schlaf auf, und er schlich schnell und leise wieder in seinen eigenen Raum. In seinem Raum stand der Speer, mit dem er geworfen hatte. Er ließ die Hand über den Speer gleiten und sagte: »Mein guter Freund, du kannst gut fliegen und weithin eilen, aber sprechen kannst du nicht. Was würdest du mir sonst wohl hierüber sagen können?«
    Am andern Mittag ging der Jüngste zu seinem Vater und sagte: »Mein Vater, du hast vorgestern bei deinem ältesten Sohne gegessen. Du hast gestern bei deinem zweiten Sohne gegessen. Komm heute zu mir und speise mit mir, deinem dritten Sohne.«
    Der Vater sagte: »Mein bedauernswerter Sohn, du bist nicht verheiratet und hast dein Glück und deine Bequemlichkeit für ein Girdaweibchen fortgeworfen. Du wirst das noch schlimmer fühlen, wenn ich mit dir in deinem einsamen Hause dein Essen teile.« Der Jüngste sagte: »Mein Vater, ich bitte dich! Komm doch nur heute einmal zu mir.« Der Emir sagte: »Ich will dir deinen Wunsch nicht abschlagen. Ich werde kommen.«
    Der Vater bestieg sein Pferd. Er ritt mit seinem Sohne zu dessen Haus hinüber.
    Als die beiden Reiter vor dem Hause angekommen waren, traten zwei prächtig gekleidete Sklaven aus der Tür und hielten die Pferde. Zwei andere Diener aber rollten eine lange seidene Decke aus der Tür bis zum Tor. Sie halfen dem Emir und seinem Sohn aus dem Sattel und folgten ihnen, als beide über den seidenen Stoff zum Hause hineingingen.
    Als der Emir und sein Sohn an die Tür kamen, traten ihnen schöne Knaben entgegen, die hielten Schale und Brig und Trockentuch, so daß sie den Staub abspülen konnten. Andere nahmen ihnen die Straßenschuhe ab, so daß sie nicht die schönen Teppiche zu beschmutzen brauchten, die den Boden bedeckten.
    Der Emir stand als erster in dem Raum und fragte seinen Sohn sogleich: »Mein Sohn, erkläre mir dieses.« Der Jüngste sagte: »Mein Vater, ich kann dir von all dem nichts erklären, denn ich weiß nicht einmal, ob dies überhaupt mein Haus ist oder nicht. Ich bitte dich aber, auf diesen Kissen Platz zu nehmen und meine Bewirtung anzunehmen – soweit ich das Recht habe, diese Bewirtung die meine zu nennen.« Der Emir setzte sich. Der jüngste Sohn setzte sich. Sie betrachteten beide die Teppiche, die auf dem Boden und an den Wänden ausgebreitet waren. Sie sahen die Kursi, auf die eine goldene Sinia mit dreißig verschiedenen Gerichten gestellt wurde.
    Der Emir aß und fand das Essen besser als irgendeines, das er vorher zu sich genommen hatte. Er schwieg aber und dachte bei sich: »Ich werde meinen Sohn nach nichts fragen, denn diese ganze Geschichte mit dem Girdamädchen ist eine Lüge, und er wird, wenn ich ihn frage, mir nur noch mehr vorlügen. Ich will aber sehen, wie ich diese Lügen aufdecken und meinen Sohn dafür strafen kann.«
    Der jüngste Sohn aß und fand, daß er nie in seinem Leben so gut gegessen habe. Er sagte aber nichts, denn er dachte bei sich: »Seit ich die seidenen, golddurchwirkten Haare unter dem Affenfell meines Girdamädchens gesehen habe, weiß ich überhaupt nur noch, daß ich von allem, was mit dem Mädchen zusammenhängt, nichts weiß. Wenn ich meinem Vater etwas sage, wird er es mir nicht glauben, sondern wird mich für einen Lügner halten. Ich werde aber zusehen, daß ich herausbekomme, was sonst noch unter dem Affenfell meines Girdamädchens verborgen ist.«
    Nachdem der Emir und sein Sohn gegessen hatten, erhob sich der Vater und sagte: »Mein jüngster Sohn, ich sehe zu meiner Freude, daß du in ebenso glücklichen Umständen lebst, wie deine älteren Brüder. Ich verlasse dich nun. Begleite mich heim und vergiß nicht, daß ich euch eine Mahlzeit schuldig bin, die eure Frauen bereitet haben. Darum will ich euch drei mitsamt euren drei ausgezeichneten Frauen morgen abend zum Essen bei mir sehen.« Der Sohn sagte: »Es ist gut, ich werde kommen!« Der Emir lachte und sagte: »Du wirst aber nicht allein kommen, sondern deine Frau mitbringen, die heute so vortrefflich für mich gesorgt hat, so daß ich sie kennen lerne und ihr danken kann.« Der Sohn begleitete seinen Vater heim. Als der Sohn in sein Haus zurückkam, war es schmutzig und kahl wie früher. Er schlich sich in den andern Raum, da lag das Girdamädchen auf dem Angareb. Er konnte aber keine Haare sehen. Der Mond schien auch nicht durch die Mauerritze. Der Wind blies nur Sand herein, so daß er ihm in die Augen fiel und ihn in seinen

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