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Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
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sie: »Wer bist du?« Das Mädchen sagte: »Ich bin die, die dein jüngster Sohn sich als Gattin erwählt hat.« Die alte Frau sagte: »Zeige dein Gesicht!« Das junge Mädchen schlug das Tuch zurück. Die Mutter betrachtete sie lange und sagte: »Hüte dich vor dem Vater deines Gatten, meinem Manne, dem Emir, meine Tochter!« Das Mädchen sagte: »Meine Mutter, ich bitte dich, gib mir ein Brot!« Die alte Frau gab dem Mädchen ein Brot. Das Mädchen nahm das Brot unter den Arm und ging aus dem Haus zum Emir hinüber.
    Die beiden ältesten Söhne mit ihren Frauen waren schon beim Emir angekommen. Die Frauen waren schön, sie waren reich gekleidet und hatten wertvollen Schmuck.
    Der Emir sprach mit den Frauen seiner Söhne. Der Emir sagte: »Die Frau, die mein jüngster Sohn sich erwählt hat, wird auch kommen.« Der Türhüter kam und sagte: »Es kommt eine verhüllte Frau über den Hof.« Die Brüder sagten: »Das wird die Klugheit unseres jüngsten Bruders sein, die da kommt.« Die Frauen der Brüder sagten: »Das wird das Affenweib sein, das kommt. Müssen wir mit ihm aus einer Schüssel essen?« Der Emir sagte zum Türhüter: »Laß die Frau hereinkommen!«
    Die Tür wurde geöffnet. Die verhüllte Frau schritt herein und blieb stehen. Der Emir sagte: »Wer bist du?« Die verhüllte Frau sagte: »Ich bin das Mädchen, das dein jüngster Sohn sich zur Frau erkoren hat.« Der Emir sagte: »Die Frauen meiner andern Söhne sind auch hier und nicht verhüllt. Zeige dich. Wir werden dich nicht kränken.« Die verhüllte Frau sagte: »Wie sollte mich der Vater dessen, der mich zur Frau begehrt, kränken wollen?« Dann ließ sie das lange Umschlagetuch fallen. Es wurde aber im Zimmer sogleich ganz hell, und war nun ein Unterschied, als ob vorher Nacht gewesen und nun gerade die Sonne aufgegangen sei.
    Das Mädchen sagte: »Weshalb solltet ihr mich kränken?«
    Die ersten beiden Söhne des Emir blickten auf das Mädchen. Die Frauen der beiden Söhne blickten auf das Mädchen. Der Emir blickte auf das Mädchen und sagte bei sich: »Dieses Mädchen soll meine eigene Frau werden. Ich werde meinen Sohn töten.« Das Mädchen nahm das Brot unter dem Arm hervor, das die Frau des Emir ihr gegeben hatte; es war ein Diamant geworden. Das Mädchen reichte den Diamanten dem Emir und sagte: »Nimm dieses als Begrüßungsgabe. Ich bin nicht das, was ihr glaubtet. Ich habe die Haut des Affen umgenommen, um zu sehen, ob dein jüngster Sohn so gut wie schön ist. Ich habe ihm schweren Kummer mit der Affenhaut bereitet und will nun nach Haus gehen, um seinen Kummer zu stillen. Denn auch im großen Kummer hat er nicht gewollt, daß das elende Affenmädchen sterbe, und deshalb will ich ihm eine gute Frau werden und will ihm alles geben, was ich als Tochter des Melik der Alledjenu ihm geben kann.« Als das Mädchen das gesagt hatte, nahm sie das Umschlagetuch wieder auf und ging. Es hatte aber keiner Zeit, etwas zu sagen.
    Der Jüngste saß auf seinem Angareb und wartete. Als er einige Zeit gewartet hatte, sah er, daß es in der Dunkelheit draußen heller wurde. Dann hörte er Schritte und er sah, daß seine Wohnung von einer Reihe von Ampeln und Lichtern beleuchtet wurde. Wo er hinsah, traten Teppiche und Kissen hervor. Je näher die Schritte kamen, desto höher und weiter wurden die Räume. Er fühlte, daß seine Kleidung sich änderte; er hörte, daß draußen Vögel sangen, obwohl es Nacht war. Dann tat sich die Tür auf und die Tochter des Alledjenukönigs trat herein und ließ das Umschlagetuch fallen. Die Tochter des Alledjenukönigs kam auf ihn zugeschritten und kniete nieder und küßte die Wunde, die er sich vorher in die Hand gebissen hatte, um seinen freudigen Schreck zu überwinden. Und sogleich war die Wunde geschlossen. Der Sohn des Emir hob die Tochter des Alledjenukönigs auf. Beide gingen dann durch die hell erleuchteten Säle des Serails, in dem von nun an der jüngste Sohn mit seiner schönen Frau wohnte.
    Der Emir dachte die ganze Nacht darüber nach, wie er seinen Sohn töte, um seine schöne Schwiegertochter heiraten zu können. Am andern Tag ließ er seinen jüngsten Sohn rufen und sagte zu ihm: »Mein Sohn, ich höre, du legst dir einen Garten an. Wenn du das für dich tun kannst, dann kannst du auch für deinen Vater etwas tun. Sorge also dafür, daß bis morgen nachmittag in meinem Garten ein neuer Weinstock wächst. Ich habe mir für morgen abend Gäste eingeladen, und sie sollen von den reifen Trauben dieses

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