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Das Schattenbuch

Das Schattenbuch

Titel: Das Schattenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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sie bereits
in den Traum hinüberglitt. Arved. Abraham. Arved…
    Sie träumte von zwei Männern, die aus einem Buch
hervorwuchsen, ihr gegenübertraten und sie mitnahmen. Da war
keine Liebe in ihnen, nur Hass. Tödlicher Hass.

 
11. Kapitel
     
     
    »Arved Winter? Der neue Freund von Lioba?«,
schnarrte die Stimme am Telefon.
    Arved konnte sie zunächst nicht zuordnen, doch dann
erinnerte er sich an Manfred Schult, den Ex-Mann von Lioba. Er
fragte: »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    »Ganz schön förmlich. Man merkt, dass Sie noch
nicht da angekommen sind, wo ich bin. Ich will mit Ihnen
sprechen.«
    »Worum geht es?« Arved hatte nicht die geringste
Lust, sich noch einmal mit diesem Mann zu treffen. Er stellte ein
Element aus Liobas Vergangenheit dar, mit dem Arved sich nicht
befassen wollte.
    »Da ist einiges klarzustellen. Außerdem will ich
wissen, was das für ein komischer Schriftsteller ist, nach
dem Lioba forscht. Ich kann Ihnen eine Menge erzählen.
Kommen Sie doch gleich vorbei.«
    Am anderen Ende wurde aufgelegt, bevor Arved Zeit zu einer
Erwiderung hatte. Verwirrt ging er ins Wohnzimmer, ließ
sich schwer auf die Couch fallen und blätterte in dem
Schattenbuch, das immer auf dem Tisch lag. Sollte er nach Trier
fahren und sich mit diesem Schult unterhalten? Allein? Schult
hatte gesagt, er wisse etwas. Bezog es sich auf Carnacki oder auf
Lioba? Arveds Gedanken schwirrten umher. Draußen wurde es
dunkel, obwohl erst Mittag war. Es schien ein Gewitter
aufzuziehen. Kurz entschlossen packte er das Buch unter den Arm,
lief zur Garage und startete den alten Bentley. Das Buch hatte er
auf den Beifahrersitz gelegt. Als er rückwärts aus der
Garage fuhr, setzte bereits der Regen ein. Der erste Blitz zuckte
über Manderscheid und schien irgendwo am Mosenberg
einzuschlagen. Der Donner war unbeschreiblich – als
hätte jemand den Vulkankegel gesprengt. Dann flog der
nächste Blitz über den Himmel, verästelte sich,
schwang wie Peitschenschnüre hin und her. Arved drehte sich
um, während er den Wagen von der Garageneinfahrt auf die
Straße lenkte. Er konnte gerade noch rechtzeitig bremsen.
Da stand jemand, hatte die Hände erhoben, als wolle er sich
gegen das Auto stemmen.
    Arved atmete tief durch. Der Mann war nicht sonderlich
groß; seine langen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, das
Arved nicht erkennen konnte. Er sah aber, dass es graue Haare
waren. Sie troffen vor Regenwasser, das in kleinen Rinnsalen an
ihnen entlanglief. Dann war es wieder dunkel wie zur
Mitternacht.
    Beim nächsten Blitz war der seltsame Mann verschwunden.
Vorsichtig fuhr Arved noch ein Stück zurück, wendete
und rollte langsam auf die Mosenbergstraße zu. Dabei
schaute er immer wieder in den Rückspiegel. Der Regen fiel
wie ein Vorhang. Niemand war auf der Straße. Nirgendwo.
Manderscheid lag wie ausgestorben da. Selbst die Autos schienen
geflohen.
    Arved fuhr durch das Dorf in Richtung Autobahn, hinunter an
den freundlichen Häusern, die nun jedoch wie geduckte
Wächter längs der Kurfürstenstraße standen,
immer weiter hinunter in das Tal der Lieser, bis die Silhouetten
der Burgruinen vor ihm auftauchten, die im Regen zu
zerfließen schienen, dann wieder hoch, aus dem tiefen,
engen Tal hinaus.
    Arved roch es, bevor er es sah. Es war ein Geruch nach
Feuchtigkeit, aber auch nach nasser Erde. Er kam von rechts, aus
dem Inneren des Autos. Arved zuckte zusammen, als er neben sich
blickte. Er bremste, der Wagen brach aus, rutschte auf die
Leitplanke zu, die sich zum Glück an dieser Stelle
öffnete, weil rechts die Straße nach Pantenburg
abzweigte.
    Der Bentley schlitterte zuerst die Straße hoch, dann
über aufgeweichten Rasen und blieb schließlich im
Schlamm stecken. Arveds Hände zitterten. Ihm stockte der
Atem.
    Die Gestalt saß auf dem Beifahrersitz. Die langen Haare
hingen ihr tropfnass über dem Gesicht und verbargen es immer
noch. Es war der Mann, der vorhin hinter dem Wagen gestanden
hatte. Er wandte Arved den Kopf zu. Es war nicht der
Künstler Vampyr, wie Arved zunächst geglaubt hatte. Es
war ein vollkommen Fremder.
    Wirklich ein Fremder?
    Etwas regte sich in den hintersten Winkeln von Arveds
Erinnerung. Sank wieder zurück. Die Gestalt verschwand vor
seinen Augen. Sie löste sich auf, als ob der Regen auch in
den Wagen dringe und sie auswasche. Genauso wurde Arveds
Erinnerung ausgewaschen. Er schnappte nach Luft und ließ
beide Fenster herunter, denn der

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