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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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wusste der Conte mit seinen unablässig wandernden Fingern oder sein verdorbener Bruder schon von all dem Schweiß und den Dramen, die sich in der Küche abspielten?
    «Meine Liebe, Ihr seid die Inspiration für dieses Festmahl», erklärte der Conte laut, als die Diener sich lautlos an der Tür aufstellten, um aufzutragen. «Jeder Bissen ist Euch zu Ehren, meine liebe Carinna.»
    Auf ein Signal des Conte bliesen die Diener die Hälfte der Kerzen aus. Ohne den goldenen Schimmer des Kandelabers wurde alles in theatralisches Dämmerlicht getaucht.
    Signor Renzo enttäuschte mich nicht. Der erste Gang war ein Wunder, denn als die Leuchter wieder entzündet wurden, stand vor uns ein herrliches Abbild des Meeres, geformt aus glitzernd buntem Sand neben einer Flut aus grünem Gelee. Auf dem Sand und in den Wellen tummelten sich Garnelen und Hummer, allesamt fein hergerichtet. In einer Ecke des Tisches waren Schildkrötensuppe im Panzer einer Sumpfschildkröte sowie ein riesiger Stör angerichtet. Ich lächelte stumm in mich hinein und aß jeden Bissen mit großem Genuss. Im Stillen gratulierte ich dem talentierten Signor Renzo.
    «Ah, wie passend», krähte der Conte, als der erste Gang abgetragen und der nächste serviert wurde. «Mein Tempel der Venus.»
    Nun stand auf dem Tisch ein riesiger, bemalter Tempel, der mit Figuren in antiker Kleidung bestückt war. Das war schöner als jeder Steinpalast, denn jede Säule und jedes Ornament war aus weißem Zucker modelliert. Unsere Kerzen wurden erneut ausgeblasen, und die winzigen Leuchter, die in den Miniaturwänden aus «Marmor» eingelassen waren, wurden angezündet. Die größte Posse war, dass nun ein gefülltes und gespicktes Ochsenherz sowie kleinere gefüllte Lammherzen aufgetragen wurden. Sogar beim Gemüse handelte es sich um Artischockenherzen in geschmolzener Butter.
    «Das sind alles Herzen!», lachte ich.
    «Sie stehen für mein verzaubertes Organ», sagte Carlo. Sein runzeliger Mund verzog sich kokett. Ich hörte, wie sein Bruder schnaubte und das Glas heftig abstellte. Carlo lehnte sich zu mir herüber und krähte: «Er sagte, Quentins Nichte würde mich verabscheuen.»
    «Tatsächlich?» Ich spießte ein kleines, herzförmiges Stück Fleisch auf, das mit souffliertem Kalbsbries gefüllt war. Da hatte er übrigens recht. Meine schnippische Herrin hätte niemals bei dieser Ungeheuerlichkeit mitgemacht. Die Erinnerung an sie versetzte mir einen Stich, und ich biss die Zähne zusammen. Das war wohl der richtige Moment, um den Gefallen einzufordern, worum sie mich gebeten hatte.
    «Carlo», sagte ich süßlich, «ich muss Euch um Rat fragen.»
    «Ich stehe ganz zu Euren Diensten.» So klein, wie er war, befanden sich seine Augen beim Sitzen auf einer Höhe mit meinem Busen. Er schaute nicht mal kurz zu meinem Gesicht auf, der alte Geiferer.
    «Meine dumme Dienerin.» Ich schluckte hart. «Biddy.» Es kostete mich große Überwindung, den Namen auszusprechen, und ich genehmigte mir rasch einen Schluck Wein. «Es ist mir ein Rätsel, was ich mit dem … Problem tun soll, das sie hervorbringt.»
    Carlos wässrige Augen wanderten widerstrebend von meinen Brüsten aufwärts. «Problem?»
    «Das Baby. Ich muss jemanden finden, der es zu sich nimmt. Gute Leute. Biddy wird später zurückkehren und es holen.»
    Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck zückte der Conte seine Schnupftabaksdose und setzte ein Hügelchen auf seinen Handrücken. «Ich glaube, gewöhnlich wendet man sich hier an den Konvent Sant’ Agnese. Die Schwestern dort ziehen die Produkte solcher Sünden auf.»
    «Wie findet sie dorthin?»
    Seine Antwort wurde von einem gewaltigen Nieser unterbrochen, der so heftig war, dass ein Regen aus orangefarbenem Speichel in meine Richtung spritzte.
    «Er ist oberhalb von Ombrosa gelegen. Der Bergpfad führt zum Tor.» Mit einem riesigen Taschentuch wischte er die gummiartige Nasenspitze ab. «Ein paar Münzen sollten die Sache regeln. Aber wirklich, meine Liebe …» Und mit diesen Worten ergriff er meine Hand, ohne zu bemerken, dass ich zugleich versuchte, die orangefarbenen Flecken von meinem Kleid zu wischen. «Ihr müsst dieses Mädchen loswerden. Schickt das Flittchen fort.»
    «Seht nur, da kommt die Nachspeise», sagte ich und war unsäglich erleichtert, dass wir unterbrochen wurden.
    Erneut wurden viele Kerzen ausgeblasen, während ein flaches Brett, auf dem ein Tuch lag, von vier Männern hereingetragen wurde. Ich überlegte, was sich darunter wohl

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