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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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nächstgelegenen Raum. Hier waren vor allem trockene Lebensmittel gelagert. Im nächsten Zimmer befand sich die Spülküche, in der bis vor kurzem noch gearbeitet worden war. Schmutzige Töpfe standen aufgestapelt auf einem Tisch. In der Küche herrschte immer noch Aufruhr, weshalb ich mich an der dritten Tür versuchte. Ein Blick genügte, und ich wusste, dass ich hier fand, wonach ich suchte. Ich trat ein und zog die Tür hinter mir zu.
    Schwer und süß vom Zuckerstaub ruhte die Stille auf diesem Raum. Ich stand in der kleinen Werkstatt eines Zuckerbäckers. Ein höchst eigenartiger Ort, wo die Luft so lieblich wie Nektar schmeckte. Vor mir befand sich ein halbes Dutzend Tische, und über jedem hing eine Leine. Blumen, Edelsteine und winzige Wesen hingen unbemalt daran und baumelten wie aus Schnee geschnitzte Schätze herab, um zu trocknen. Darunter lagen andere Formen, sanft auf Eierschalen gebettet, und daneben die Werkzeuge eines Zuckerbäckers: winzige Messer, Gäbelchen aus Messing und Elfenbein.
    Am anderen Ende der Kammer hingen Zeichnungen meines Gesichts an der Wand. Mein Porträt war sowohl von vorne als auch von der Seite mit Strichen und Punkten aufs Papier geworfen worden. Darunter lagen auf dem Tisch meine Hände aus gelblichem Marzipan, die jemand in eine Holzform gedrückt hatte. Hier war eine Haarsträhne aus flüssigem Zucker gesponnen, dort ein Entwurf meines Munds und ein Teller mit gewachsten Baumwollwimpern. Ich war gleichermaßen erstaunt und verärgert, denn es war sehr merkwürdig, mich so kunstvoll in Teile zerlegt zu sehen. Ich stand und starrte lange auf den Tisch, ohne mich von diesem Anblick lösen zu können.
    Dann hörte ich, wie mit einem Klicken die Tür aufsprang, und die kräftige Gestalt Signor Renzos versperrte mir den Weg. Er war mächtig überrascht, mich hier zu finden.
    «Dafür habt Ihr mich also benutzt.» Ich zeigte auf die Skizzen. «Ihr habt mein Gesicht gestohlen und zugleich so getan, als würdet Ihr mir helfen. Ihr solltet Schauspieler werden, denn dafür habt Ihr wirklich großes Talent.»
    Er zögerte und verneigte sich dann tief. «Es tut mir leid, wenn ich Euch gekränkt habe. Der Conte sagte mir …»
    Ich verdrehte die Augen. «Der Conte? Der Conte ist ein Einfaltspinsel, das wissen wir beide. Nicht der Conte beleidigt mich – Eure Schauspielerei allerdings schon.»
    Er schluckte und hob in einer hilflosen Geste die Hände. «Mylady. Ich hoffte, Ihr würdet das mögen.» Fassungslos schüttelte er den Kopf. «Es sollte eine Huldigung Eurer Schönheit sein.»
    «Nun, mir gefällt das da aber nicht.» Ich zeigte auf etwas, das wie das Modell für einen harten, rosigen Nippel aussah. «Das ist eine Schande, Sir. Ihr …» Ich versuchte, auszudrücken, was mich so sehr kränkte. «… stellt mich aus, als könnte man mich aufessen.»
    Bei Gott, eine große Huldigung war das ja auch. Aber der Knackpunkt war, dass ich seine abschätzigen Blicke als männliches Interesse an dem, was er sah, gedeutet hatte. Das ärgerte mich am meisten. «Zweifellos habt Ihr deshalb Interesse für meine Backkünste geheuchelt?», fragte ich gereizt.
    «Nein, nein. Ich habe nichts geheuchelt. Es ist außergewöhnlich, wenn man eine Frau trifft, die …»
    «Ja? Die was?»
    Er rieb sich die Stirn und fuhr sich mit den Fingern durch seine schwarzen Locken. «Die so denkt wie ich.»
    Das brachte mich zum Schweigen. Es stimmte also – der Eindruck, den ich vor ein paar Tagen gewonnen hatte, täuschte mich nicht. Wir dachten ähnlich. Das war unheimlich. Eine rosige Hitze stieg von meinem Busen und Hals bis in mein Gesicht auf. Verärgert trat ich beiseite und tat, als wäre ich von den Bildern besonders fasziniert.
    «Mylady, Ihr mögt es gar nicht? Nicht mal ein bisschen?», fragte er eine Spur forscher.
    «Nein», sagte ich tonlos. Was hätte Lady Carinna hiervon wohl gehalten? Höchstwahrscheinlich hätte ihr diese Schmeichelei gefallen. Daher gab ich mir Mühe, meine Enttäuschung zu mäßigen.
    «Also gut. Ich mag es schon ein bisschen. Aber ich hasse es viel mehr!» Ich redete Unsinn.
    «Es war niemals meine Absicht, Euch zu beleidigen.»
    «Kümmert Euch nicht darum.» Verwirrt schüttelte ich den Kopf. «All die Arbeit, die darin steckt …»
    Er blickte auf. Seine verschlafenen Augen blitzten. «Wenn ich das nur irgendwie wiedergutmachen könnte! Was kann ich tun, Mylady?»
    Ich machte Anstalten zu gehen. Als ich an ihm vorbeilief, legte er seine schwere Hand auf meinen

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