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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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lehnte sich wieder zurück und beobachtete mich aufmerksam aus seinen Schlafzimmeraugen. Doch so verschlafen war er gar nicht. Er kam mir vor wie ein schwarzer stämmiger Jagdhund, der ganz ruhig war, aber zugleich wachsam blieb.
    «Und wisst Ihr, warum das so ist? Nur weil es die Männer nicht schert, was in den Küchen los ist, darum.»
    «Aber mich kümmert es, Lady Carinna.» Er drehte sich zum Ofen und schnupperte. «Meine gefangenen Feigen sind jetzt fertig.»
    Der süßliche Duft der Früchte hatte sich tatsächlich verstärkt. Signor Renzo hatte also auch noch einen exzellenten Geruchssinn, denn es war exakt der perfekte Moment, um die Feigen aus der Hitze zu holen.
    «Sie sehen sehr gut aus», sagte ich. Das war nicht ganz richtig, denn sie sahen aus wie kleine Wunder: Zwei süßlich triefende Feigen, die wie durch ein Wunder in den hauchzarten Gebäckkugeln steckten. Ich probierte sie. Es ist schon merkwürdig, aber obwohl wir dieselben Zutaten verwendet hatten, schmeckten seine Feigen besser.
    «Nachspeisen sind meine große Leidenschaft», sagte er und schnitt seine Feige in winzige Häppchen.
    «Meine auch», sagte ich. Wir plauderten schon bald über die Geheimnisse der Zuckerbäckerei und darüber, wie jede Form und jedes Objekt aus diesen Zutaten gefertigt werden konnte. Signor Renzo sprach so eifrig darüber, dass es mir immer schwerer fiel, mein Interesse an seinen Worten zu verbergen.
    «Aber der Conte macht sich wohl nichts aus Nachspeisen?», fragte ich.
    «Nein.» Bei der Erwähnung des Conte verlor seine Miene alles Lebendige.
    «Und werden diese gefangenen Früchte am kommenden Samstag auf dem Speiseplan stehen?»
    Er wich meinem Blick aus. «Der Speiseplan ist allein die Entscheidung meines Herrn», murmelte er.
    Ich hatte den Eindruck, ich müsste diesen Mann etwas aufmuntern, also folgte ich einer Laune und bat ihn, mir genauer zu zeigen, wie das mit den Küchlein ging.
    «Es wäre mir eine Ehre.» Er kam zu mir an den Tisch und zeigte mir, wie man den ausgerollten Teig zuschneiden musste. Meine ersten Versuche waren verglichen mit seiner Arbeit jämmerlich. Ich lachte, als ich meine erste «gefangene Feige» hochhob, die eher an die Lumpen eines Bettlers erinnerte.
    «Kontrolle», sagte er. Sanft berührte er mein Handgelenk und hob die Hand. «Stellt Euch vor, was Ihr wollt. Seid frei.» Ich errötete, als seine abgearbeiteten Fingerspitzen meine Bewegungen führten. Obwohl sich unsere Haut berührte und wir sehr dicht beisammen standen, geschah dies in völliger Unschuld. Und ich schalt mich, weil ich ihn beobachtete. So ein hübscher Kerl war er nun auch wieder nicht, und es war nicht angemessen, mich von Gefühlen hinreißen zu lassen. Er war ein kräftiger Mann mit kantigen Schultern, und die müden, dunklen Augen lagen immer im Schatten.
    Ehe er ging, wischte er den Tisch sorgfältig ab und zog den feinen blauen Mantel wieder an. Dann wartete er betreten, und ich wünschte ihm noch einen schönen Tag. Erst da brachte er heraus, was ihn sorgte.
    «Lady Carinna, ich muss Euch danken», sagte er ernst. «Weil Ihr meinen kleinen Betrug nicht aufgedeckt habt. Ihr wusstet, dass keine Nattern in dem Gericht waren.»
    «Es bedurfte keines Gourmets, um das zu bemerken. Aber warum wart Ihr ihm ungehorsam?»
    «Weil ich so ekelhaftes Zeug nicht anfassen kann», sagte er mit so angewiderter Miene, dass ich laut lachen musste. Er lächelte ebenfalls, gerade so, als hätten wir uns miteinander verschworen.
    «Aber eines noch, Mylady. Warum habt Ihr dem Conte nichts davon gesagt?»
    Jetzt hätte ich ihm am liebsten erzählt, dass wir Diener immer zusammenhalten mussten. Aber das ging nicht. Ich hatte schon einen richtigen Knoten im Gehirn, und die Stille zwischen uns dehnte sich aus. Signor Renzos Blick blieb derweil auf mir ruhen. Und dann sprudelten ganz unerwartet die Worte aus meinem Mund, wie Bläschen im Ale aufsteigen.
    «Weil ich mag, wie Ihr kocht.»
    Das schien ihn auch nicht zufriedenzustellen, sondern vielmehr seine Neugier anzustacheln. Er starrte zu Boden und fuhr sich über die Bartstoppeln am Kinn. Schließlich verneigte er sich ein letztes Mal und verabschiedete sich mit großer Ernsthaftigkeit: «Lady Carinna, ich fühle mich geehrt, dass Ihr mich bemerkt habt. Und ich mag Eure Kochkünste auch. Guten Tag.»
     
    Ich hatte an jenem Tag noch mehr backen wollen, da der Ofen schon heiß war, aber Signor Renzos Besuch hatte mich in Unruhe versetzt. Es gefiel mir überhaupt nicht,

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