Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
Vom Netzwerk:
Schönes verbergen mochte: Wir hatten schon das Meer gekostet und ein bisschen von den Herzen der Liebe – womit würde Signor Renzo uns als Nächstes beglücken? Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen stolz war, weil der Koch sich so über die Maßen anstrengte, um mich zu beeindrucken.
    «Das werdet Ihr lieben», sagte Carlo. Er zog mich hoch, damit ich bei der Enthüllung besser sehen konnte. Was erwartete mich? Ein Vergnügungspark aus Kuchen? Ein Paradies aus Zuckerwolken?
    Das Tuch wurde zurückgezogen. Ich erstarrte. Eine lebensgroße Frauengestalt lag vor uns auf dem Tisch. Schlief sie? Nein, ihre Augen standen offen, als wäre sie tot. Dann blinzelte ich und sah wieder klar. Die Frau war wie aus Wachs, die Haut weich, das Haar offen. Das Wunder an ihr bestand darin, dass sie zur Gänze aus Zuckerwerk erschaffen war: Ihr Kleid war aus Zuckerpaste modelliert, und ihre Haare waren Locken aus kupferrot gefärbter Gelatine. Doch ihr Gesicht, das maskengleich und starr war, wirkte erstaunlich echt mit den roten Lippen und den merkwürdigen grünen Augen, die glasig und lebendig zugleich zur Decke starrten. Dunkle Wimpern umrahmten die Augen, und sogar die Spitze an ihrem Zuckerkleid hatte man aus tausend zarten Fäden gesponnen. Ich fühlte mich plötzlich an den Tag erinnert, als ich in Mawton neben Lady Carinna vor dem Spiegel stand. Das hier war dieselbe Frau – groß und mit kastanienbraunen Haaren. Das hier war ich.
    Carlo murmelte mir ins Ohr: «Gefällt Euch das?»
    Dann griff er nach der leicht geballten Hand der Gestalt und brach ihr einen Finger ab. Er saugte mit seinen schlaffen, rot bemalten Lippen daran.
    Ich verharrte reglos. Mein vom Wein umnebelter Verstand setzte die Teile dieses Puzzles zusammen. Ich erinnerte mich noch sehr lebhaft an Signor Renzos Blicke, als er mich in der Küche besucht hatte. Ganz langsam begriff ich, dass er unangekündigt gekommen war und mich beschäftigte und reden ließ, während er mich wie ein Adler beobachtete. Was ich für Freundlichkeit hielt, diente ihm lediglich dazu, sich meine Gesichtszüge einzuprägen.
    Neben mir hob der Conte mit einem anzüglichen Grinsen das Zuckermieder an und entblößte zwei Brüste mit rosigen Spitzen. Geschickt zwickte er einen kirschähnlichen Nippel ab.
    «Bitte entschuldigt mich», murmelte ich und eilte aus dem Raum. Meine Gedanken kochten hoch wie Milch in einer Kasserolle; ich rannte kopflos aus dem Speisezimmer und wollte nur noch möglichst schnell fort. Mein Hals brannte. Himmel, ich hatte die Freundlichkeit des Kochs völlig falsch verstanden. Du hohle Nuss, schalt ich mich. Er musste mich ja für ein ziemlich dummes Ding halten, das nur glotzte und kicherte, während er sich meine Gesichtszüge einprägte. Und das alles hatte er für ein paar schlichte Komplimente bekommen. Mit gesenktem Kopf eilte ich an den Dienern des Conte vorbei. Ich suchte Mr. Loveday, damit wir sofort aufbrechen konnten.
    Den Conte sollte meinetwegen der Teufel holen, und meine Herrin gleich mit, denn sie hatte mich hergeschickt. In diese Vorhölle voller parfümierter Ziegenböcke! Mr. Pars’ Worte kamen mir wieder in den Sinn, der mich väterlich gerügt hatte, weil ich lieber an meinen Ruf denken und mir von meiner Herrin keinen Floh ins Ohr setzen lassen sollte. Vielleicht hätte ich auf meinen alten Steward aus Mawton hören sollen, wie die gute Mrs. Garland es mir geraten hatte. Stattdessen spielte ich hier die Metze – und wozu das Ganze? Ich fand keine Worte dafür, wie peinlich berührt ich war, als ich durch das Labyrinth aus Fluren eilte.
    Ich lief eine Treppe mit vergoldetem Geländer hinunter, von der ich glaubte, dass sie zu den Dienstbotenquartieren führte. Aber ich war völlig durcheinander, bog kurz darauf falsch ab und stand vor einer Wand. Jetzt hatte ich mich auch noch verirrt! Verärgert lief ich auf und ab und suchte nach dem richtigen Weg zur Eingangshalle. Und da bemerkte ich die Stiege, die nach unten zur Küche führte. Ich stand oben und hörte gedämpftes Klappern und Rufe von weiter unten. Nachdem ich mich versichert hatte, dass niemand mich sah, raffte ich meine riesigen Röcke und schlich leise die Stiege hinunter. Am Fuß der Treppe führte ein kahler Korridor zu der weiß getünchten Küche, aus der der Aufruhr drang. Ich lauschte neugierig und hörte Signor Renzo, der sich über irgendetwas beklagte. Was genau er sagte, verstand ich nicht.
    Ich ließ mich von meiner Neugier treiben und schaute in den

Weitere Kostenlose Bücher