Das Schicksal der Paladine - Gejagt (German Edition)
es Lissann offenbar nichts ausmachte, dass er sie nackt sah.
»Warum wendet Ihr Euch ab? Findet Ihr mich hässlich, wollt Ihr mich deshalb nicht ansehen?«
»Ja – ich meine, nein. Ihr seid bestimmt nicht hässlich. Es ist nur ... in meiner Welt ... also, wo ich herkomme, da sieht man nackte Frauen nicht an.«
»Nein?«, fragte sie überrascht. »Zeugt ihr eure Kinder mit geschlossenen Augen oder nur in finsterster Nacht? Oder entkleidet ihr euch für den Akt nicht?« Sie klang amüsiert.
Tristan spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Dass sie sich über ihn lustig machte, ließ die ganze Situation noch peinlicher werden. »Fremde Frauen, meinte ich«, ergänze er.
»Nun, bei meinem Volk ist es noch unüblicher, jemandem den Rücken zuzudrehen, wenn man mit ihm spricht.« Etwas raschelte und Tristan wagte einen kurzen Blick über die Schulter. Lissann trocknete sich mit einem dünnen Tuch ab. »Warum habt ihr mich gesucht?«
Tristan wandte sich ihr zu, starrte aber konzentriert auf einen Baumstamm in ihrer Nähe. »Ich wollte wissen, wohin Ihr uns führt«, entgegnete er.
»Nach Nur-al-Sunak«, antwortete sie und legte sich in die Sonne, den Kopf auf die Flanke ihrer Katze gelegt. Parwali schnurrte.
»Das sagt mir nichts«, brummte Tristan verdrossen.
»Es ist eine Stadt. Mein Runenmeister lebt dort.«
»Und bekomme ich dort dann das Amulett zurück?«
»Das wird mein Meister entscheiden.«
Tristan ballte die Fäuste, Lissanns trockene Antworten gingen ihm auf die Nerven. »Und wenn ich damit nicht einverstanden bin?«, blaffte er.
Lissann seufzte. »Hört zu, Paladin. Ich bin eine Jägerin und befolge nur Befehle. Ich sollte den Nekromanten und das Amulett zu meinem Meister bringen. Was den Nekromanten angeht, habt Ihr mir Sand in die Suppe geschüttet, aber ich denke Ihr werdet auch eine interessante Beute für meinen Meister sein.«
» Beute ?«, stieß Tristan hervor.
»So nennt man doch gemeinhin, was eine Jägerin mit nach Hause bringt, oder?«
Tristan funkelte sie wütend an, wandte den Blick aber rasch wieder ab, denn sie hatte sich ihm in offenherziger Pose zugewandt. Bloß nicht provozieren lassen , ermahnte er sich, immer ruhig bleiben.
»Wir sind Verbündete, Paladin«, versicherte ihm Lissann beschwichtigend. »Die Nekromanten sind unser beider Feinde. Außerdem können wir eurem Vanamiri-Freund in der Stadt helfen. Also kommt mit mir.«
Etwas in ihrem Tonfall verriet Tristan, dass das keine Bitte war und er sie entweder freiwillig oder aber als Gefangener begleiten würde. »Aber wenn wir Verbündete sind, wieso benutzt Ihr – ich meine, benutzen die Nekromanten die gleichen Pfeile wie Ihr?«
»Wenn das Amulett euch Paladinen so wichtig ist, warum trägt es dann ein Halbwüchsiger ganz allein durch die Wildnis?«, konterte sie mit einer Gegenfrage.
Tristan seufzte genervt. Einen Moment erwog er, ihr alles zu erzählen, besann sich dann aber eines Besseren. Es war womöglich nicht klug offenzulegen, dass er der letzte Paladin auf Nasgareth war, wenn man vom ungewissen Schicksal von Johann mal absah. »Darüber möchte ich nicht reden«, entgegnete er schroff.
»Seht Ihr, mit den Pfeilen ist es dasselbe.« Damit drehte Lissann ihr Gesicht in die Sonne, das Gespräch war beendet.
Stinksauer stapfte Tristan um den Teich zu ihrem Lager zurück. Er war so aufgebracht, dass er sogar seine Erschöpfung für den Moment verdrängte, dennoch war er ziemlich außer Atem, als er bei Noldan anlangte. Der kniete neben Norwur und wechselte dessen Verbände. Beim Anblick der tiefen, eitrigen Wunden verflog Tristans Wut. »Habe ich ihn doch nicht heilen können?«, fragte er besorgt.
»Nicht gänzlich«, erwiderte Noldan. »Der Zauberspruch, den die Nurasi euch gezeigt hat, heilte wohl seine inneren, nicht aber seine äußeren Verletzungen.«
»Wird er es schaffen?«
»Er braucht Ruhe und Medizin, die Wunden haben sich entzündet. Er wird die Kälte bekommen, dann braucht er Decken und ein Feuer und Sud aus bestimmten Kräutern, sonst wird er sterben.«
»Also wäre es wohl besser, wir gehen mit Lissann«, stellte Tristan fest.
Noldan sah auf. »Wir hätten ohnehin keine andere Wahl. Durch die Augen meines Del-Sari habe ich viele Gruppen von Wolfsmenschen gesehen. Keine in unmittelbarer Nähe, aber sie suchen offenbar nach uns oder nach dem Adepten.« Es entstand eine kleine Pause. »Die alte Stadt der Nurasi war sicher nicht mein Ziel«, fuhr Noldan dann fort. »Aber es ist nun der
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