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Das Schicksal der Zwerge

Das Schicksal der Zwerge

Titel: Das Schicksal der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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waren schon vor einiger Zeit ausgesandt worden. Boindil hatte sich ein braun geschecktes Pony ausgesucht; ein zweites, schwer bepacktes trottete hinter ihm an einer Leine her,festgebunden an der Satteltaschenhalterung. Tungdil dagegen ritt einen Befün, wie es die Ubariu taten.
    Das Tier sah aus wie ein übergroßer, grauhäutiger Ork auf vier Beinen und mit einem kurzen Stummelschwanz. Der Leib war muskulös und pferdebreit, die Schnauze war platt, was den Kopf noch gedrungener machte. Klobig geformte Hände mit drei Fingern und einer dicken Hornschicht konnten ordentlich zupacken.
    Ingrimmsch wusste, dass sich ein Befün im Kampf aufrichtete und dem Reiter mit seinen Klauen im Gefecht half. Durch den besonderen Sattel mit der gebogenen langen Lehne glitt der Reiter von selbst in die richtige Lage und wurde nicht so leicht abgeworfen.
    Die beiden Zwerge bildeten nicht nur von ihren Reittieren her ein sehr ungleiches Reisegespann.
    Ingrimmsch kam wie ein klassischer Zwerg daher, wie er in allen Königreichen des Geborgenen Landes seit den Heldentaten des kleinwüchsigen Volkes gegen Nödonn, die Avatare oder die Bestien der Schwarzen Schlucht in zahllosen Geschichten beschrieben wurde. Allerdings waren die großen Zeiten lange vorbei, die meisten Schlachten in der jüngeren Vergangenheit hatten sie verloren: gegen die Albae, gegen LotIonan, gegen den Drachen ... Dennoch blieb die Anerkennung.
    Ingrimmsch hatte einen stattlichen geflochtenen Bart und ein unverkennbares faltiges Zwergengesicht. Er trug sein verstärktes Kettenhemd unter einem hellen Pelzmantel mit Kragen, hatte den Krähenschnabel am Sattel stecken, paffte eine Pfeife und brummelte ein Lied dazu.
    Tungdil in seiner schwarzen Rüstung dagegen wirkte wie ein zu klein geratener Alb. Gerade der Befün verstärkte den unheimlichen Eindruck, und Blutdürster die umgeschmiedete Albaewaffe an seiner Seite trug nicht dazu bei, einen freundlicheren Eindruck vom Kind des Schmieds zu vermitteln. Jeder Zwerg vom Stamm der Dritten, den Zwergenhassern, hätte sich ehrfürchtig vor ihm verbeugt, weil sie ihn für einen der Ihren gehalten hätten.
    Solche Gedanken beschäftigen Boindil immer wieder ungewollt; nur zu gern schob er sie zur Seite und dachte nicht zu viel über die Wandlung seines Freundes nach. Er stieß eine bläuliche Rauchwolke aus und nahm seine Wasserflasche unter dem Mantel hervor. Damit der Vorrat nicht gefror, trug Ingrimmsch ihn dicht am Körper. »Na, kennst du den Weg noch?«, fragte er Tungdil und nahm einen langen Schluck.
    »Ich verlasse mich lieber auf mein Pony als auf meine Erinnerung. Es hat den größeren Kopf.« Er verkorkte das Gefäß und schob es zurück an seinen Platz. »Ich glaube, ich war schon länger als einhundertfünfzig Zyklen nicht mehr auch nur annähernd in dieser Richtung unterwegs.«
    Tungdil lachte. »Dann haben wir etwas gemeinsam. Wobei ich noch einhundert obendrauf packen kann.« Er sah sich um. »Nein, beim besten Willen: Ohne den Pfad, der uns leitet, wäre ich verloren. Oder wenigstens sehr lange unterwegs.« Sie schwiegen wieder.
    Das Klappern der Hufe, wenn sie auf Stein trafen, wurde von den Bergen zurückgeworfen, eine leichte Brise wehte den gefallenen Schnee umher und schob ihn an manchen Stellen zu Verwehungen zusammen. Mit ihnen hatten die Ponys am meisten zu kämpfen.
    »Hast du denn gar keine Fragen?«, meinte Boindil irgendwann und versuchte sich an einem Rauchkringel.
    Tungdil sah geradeaus, als er die Lippen öffnete und sagte: »Ich versuche immer noch zu begreifen, was ich aus deinem Mund gehört habe«, gestand er. »LotIonan der Geduldige. Was kann ihn verändert haben? Die Magie?« Er dachte nach, dann seufzte er schwer. »Ich würde mich gern an viele Dinge entsinnen können, um dich davon zu überzeugen, dass ich sie einst wusste. Dass ich es bin, der Freund und Kampfgefährte.« Er berührte die Narbe an der Stirn. »Diesem Schlag, nehme ich an, verdanke ich den Verlust guter und schlechter Erinnerungen. Mein Meister erteilte ihn mir, und er hat mich fast getötet. Zwar vernichtete er nicht mein Leben, doch er löschte Bilder meiner Vergangenheit aus. Das ist die einzige Erklärung, die ich dir dafür bieten kann.« Ingrimmsch sah auf die Narbe. »Ich habe schon davon gehört, dass manche ihren Verstand verlieren, wenn sie zu hart am Kopf getroffen worden sind. Da ist die Vergesslichkeit das geringere Übel, will ich meinen«, sagte er und klang dabei erleichtert. »Ich hätte es mir

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