Das Schicksal des Highlanders
wenn sie nicht schon alles geahnt hätte.
Dann war da die Sache mit ihrem Vater, den sie hatte töten wollen. Obwohl sie sehr froh war, sich ihre Hände nicht mit dieser Sünde schmutzig gemacht zu haben, war sie doch auch zufrieden, dass er tot war. Ihre Mutter hatte von diesem Mann immer als jemandem gesprochen, der sie betrogen und dann verlassen hatte – aber er war viel schlimmer gewesen. Er hatte den Tod aus ganz anderen Gründen verdient als nur wegen Margaret Kirkcaldys verletzter Eitelkeit. Ihm schließlich zu begegnen war schwer für sie gewesen, vor allem mit eigenen Augen das Böse in dem Mann zu sehen, der sie gezeugt hatte.
Tief in ihrem Herzen saß die Furcht, dass etwas von diesem Bösen in ihr wäre. Maldie vermutete, dass Eric unter derselben Furcht litt. Sie wusste, es würde lange dauern, bevor sie aufhören würde, alles, was sie tat, zu hinterfragen und zu überlegen, ob nicht eine Spur Beaton sie so hatte denken oder handeln lassen. Wie oft sie sich auch sagte, dass sie nicht wie ihr Vater werden müsste – nur weil sie aus seinem Samen entsprossen war, hieß das noch lange nicht, dass sie auch nur irgendetwas von ihm an sich hatte –, es würde wirklich lange dauern, bevor sie davon völlig überzeugt sein würde.
Und dann war da Balfour. Als sie an ihn dachte, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Oder vielmehr: Balfour war eben nicht da. Sie würde eine Zeit lang warten, aber sie war sicher, dass es eine traurige Zeitverschwendung war. Er würde nie in ihr Bett zurückkehren, vielleicht würde er sie nicht einmal von fern sehen wollen. Sie hatte nicht den Verrat begangen, den er ihr unterstellt hatte, aber auf eine gewisse Art hatte sie ihn doch betrogen. Sie hatte ihn belogen und ihn zumindest am Anfang für ihre eigenen Zwecke missbrauchen wollen. Bestimmt würde es einem solch stolzen Mann nicht leichtfallen, so etwas zu vergeben. Sie würde jedoch warten, genau hier in diesem Zimmer, in dem sie so viel miteinander geteilt hatten – denn die Hoffnung stirbt zuletzt.
Sogar das sanfte Licht der Dämmerung tat Maldies Augen weh, als sie aus dem Fenster spähte. Sie hatte in der Nacht kaum geschlafen, sondern nur hin und wieder etwas gedöst. Balfour war nicht gekommen. Der einzige Mensch, den sie zu Gesicht bekommen hatte, war eine mürrische Jennie, die ihr das Abendessen gebracht und dann schleunigst wieder verschwunden war. Dass man ihr das Essen auf ihr Zimmer gebracht und sie nicht eingeladen hatte, mit den anderen im großen Saal zu Abend zu essen, war an sich schon bezeichnend gewesen, aber sie hatte weiter gewartet. Jetzt aber hatte das Warten keinen Sinn mehr.
Sie warf sich ihren Umhang über und nahm den kleinen Beutel, den sie in der langen Nacht gepackt hatte, dann schlüpfte sie über den Gang zu Nigels Zimmer. Sie war nicht überrascht, als sie einen verschlafen blickenden Eric sah, der mit dem nicht minder müde wirkenden Nigel ein frühes Frühstück einnahm. Die beiden schienen ihrerseits auch nicht besonders überrascht, sie zu sehen.
»Du gibst früher auf, als ich erwartete«, murmelte Nigel.
»Ich bin niemand, der mit dem Kopf gegen eine Wand aus Stein rennt.«
»Maldie, warte doch ein bisschen länger«, drängte Eric.
»Ich kann nicht.«
»Warum? Ist Balfour nicht etwas Geduld wert?«
Maldie ahnte, dass Eric von Nigel alles erfahren hatte, mehr als von ihr und viel mehr, als er überhaupt wissen sollte. Sie warf Nigel einen bösen Blick zu, doch der lächelte bloß und zuckte die Schultern. Eigentlich hatte sie nur kurz kommen und sich verabschieden wollen, doch dieser Plan war wohl von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Nigel und Eric waren der Meinung, dass sie bleiben sollte. Sie würden sie nicht einfach gehen lassen. Maldie stellte ihren Beutel hin, schob Eric zur Seite und setzte sich. Dann nahm sie sich von dem Brot, das er und Nigel gerade verschlangen.
»Wenn ihr vorhabt, mich zu Tode zu quatschen, werde ich mir eine Henkersmahlzeit genehmigen«, murmelte sie.
Eric verdrehte die Augen und nahm einen langen Schluck Apfelmost. »Das ist feige, weißt du.«
»Dann zähle ich das eben zu meinen vielen Fehlern. Ich kann genauso leicht ein Feigling sein wie ein Lügnerin.«
»Maldie, du konntest gar nicht anders als lügen. Wenn du von Anfang an die Wahrheit erzählt hättest, hättest du die ganze Zeit in den Kerkern von Donncoill geschmort. Keiner hätte dir zugehört, und niemand hätte dir geglaubt, wie oft du auch beteuert hättest,
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