Das Schicksal des Highlanders
Saals. Darüber hängt ein Schild, auf dem ein wütender Eber zu sehen ist.«
»Wie passend«, meinte Maldie gedehnt. Eleanor kicherte.
Plötzlich wurde die Alte sehr ernst. Sie nahm Maldies Hände und drückte sie sanft. »Sei vorsichtig, Mädchen! Sei sehr, sehr vorsichtig! Du bist ein tapferes Ding, so tapfer wie keine andere, und ich habe in meinem langen Leben eine Menge Frauen getroffen. Aber Tapferkeit allein kann ein Schwert oder eine Faust nicht aufhalten. Bewege dich mit Bedacht, halte dein hübsches Köpfchen züchtig gesenkt und sprich nach Möglichkeit mit keinem. Und vor allem: Schau keinem Mann in die Augen!«
Auf dem Weg zu den Toren von Dubhlinn musste sich Maldie immer wieder Eleanors Ratschläge in Erinnerung rufen. Diese waren bestimmt sehr vernünftig, aber sie war sich nicht sicher, ob es ihr gelänge, sich daran zu halten, wenn sie nicht ständig daran dachte; denn sie entsprachen so gar nicht ihrem Wesen. Eleanor hatte ihr zu Demut und Bescheidenheit geraten, und diese Eigenschaften gingen Maldie gänzlich ab.
Keinem Mann in die Augen blicken? Sie würde einem Mann ohne zu zögern ins Gesicht spucken, wenn er es verdiente. Den Kopf gesenkt halten? In ihrer Jugend hatte sie sich kurz geschämt, als sie herausgefunden hatte, womit ihre Mutter sich durchschlug, und sie hatte den Kopf eingezogen. Doch rasch hatte sie beschlossen, stets hocherhobenen Kopfes durchs Leben zu gehen. Mit keinem sprechen? Es war ihr seit jeher schwergefallen, den Mund zu halten, vor allem, wenn sie das Gefühl hatte, dass etwas gesagt werden musste. Eleanor war eine liebe Frau, die sich um sie Sorgen machte, und hatte es mit ihren Ratschlägen sicher gut gemeint, doch Maldie vermutete, dass sie nur einen einzigen würde befolgen können – den, sich mit Bedacht zu bewegen.
»Na, meine Hübsche, wo hast du denn gesteckt?«
Maldie fluchte halblaut, als sie die leider nur allzu bekannte, raue Stimme vernahm. Eine äußerst schmutzige Hand mit derben Fingern umklammerte ihren Arm und zog sie näher. Wieder musste sich Maldie wundern, wo in ganz Schottland Beaton bloß einen solch hässlichen und aufdringlichen Kerl aufgetrieben hatte. Sie beurteilte die Menschen normalerweise nicht nur nach ihrem Äußeren, doch aus trauriger Erfahrung wusste sie, dass dieser Mann durch und durch hässlich war. Unter anderem war es ihm zuzuschreiben, dass sie viel früher als geplant aus Dubhlinn geflohen war.
»Ich bin eine Heilerin«, erwiderte sie. »Ich gehe dorthin, wo man mich braucht, und manchmal dauert es lange, bis jemand wieder völlig gesund ist.«
»Ich dachte schon, du wärst vor mir weggerannt.«
»Nein, ich renne vor keinem Mann weg.« Ekel stieg in ihr auf, als er ihren Arm tätschelte. Sie zuckte zurück.
»Oho, ein widerspenstiges Mädchen! Ich mag es, wenn in meinen Frauen ein wenig Feuer ist.«
Sie versuchte, sich loszureißen, doch er packte sie nur noch fester und grinste sie an, wobei er seine fauligen Zahnstummel bleckte. »Ich habe keine Zeit, mit Euch zu schäkern, Sir. Ich bin nach Dubhlinn gekommen, um zu sehen, ob meine Heilkünste gebraucht werden«, meinte sie.
»Ich brauche sie.«
Die Frau mit der spitzen Nase, die das gesagt hatte, versuchte, den Mann wegzuschubsen, doch der wollte Maldies Arm nicht loslassen. Schließlich schlug die Frau mit aller Kraft auf das Handgelenk des Dicken. Er schrie gequält auf und ließ Maldie endlich los. Maldie erschauerte bei dem Blick, den er der Frau zuwarf, bevor er sich trollte. Sie hoffte, dass die Frau vernünftig genug war, sich vor dem Dicken zu hüten.
»Ich glaube, es war nicht sehr klug, diesen Mann zu erzürnen«, murmelte sie, weil sie glaubte, die große, dünne Frau warnen zu müssen.
»George tut mir schon nichts, es sei denn, er erwischt mich mal in einer dunklen Ecke. Und das werde ich tunlichst vermeiden. Er hat Angst vor meinem Mann.« Die Frau hielt Maldie eine lange, knochige Hand hin. »Ich heiße Mary, Mistress Kirkcaldy.«
Maldie schüttelte ihre Hand. »Wofür braucht Ihr mich?«
»Mein Sohn ist krank.« Mary zog Maldie mit zur Burg.
Auf dem Weg zum rückwärtigen Tor stellte Maldie der Frau alle möglichen Fragen. So wie es klang, hatte das Kind nur leichtes Fieber und Blähungen. Wenn sie sich um das Kind kümmerte, hatte sie einen guten Grund, sich frei in der Burg zu bewegen und sie nach Belieben zu verlassen. Sie brauchte der Frau auch keine Angst einzujagen und das Kind so zu behandeln, als sei es dem Tod nahe. Bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher