Das Schicksal des Highlanders
»Davon habe ich bereits gehört, und obendrein eine gute, wie alle behaupten. Doch der Mann ist unheilbar, Mädchen. Das Beste, was man von ihm sagen kann, ist, dass er nicht die Lepra hat, obwohl er so übel aussieht, als ob er sie hätte.« Er verzog das Gesicht. »Man hält es kaum aus, ihn anzuschauen, wenn sein Ausschlag wieder einmal besonders schlimm ist. Doch dann wird er wieder eine Zeit lang besser. Aber er geht nie ganz weg, und wenn er wiederkommt, ist er meist noch schlimmer als zuvor. Es ist, als würde der Mann von innen heraus verrotten. Sehr viel länger wird er es wohl nicht machen. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir ein, dass niemand, der von seiner Krankheit wusste, je gedacht hat, dass er damit überhaupt so lange leben würde.«
»Wie lange ist er denn schon krank?«
»Drei Jahre.«
»Dann ist es vielleicht bloß eine Hautkrankheit.« Sie lächelte, als er große Augen machte. »Nicht nur Leprakranke leiden unter solchen Ausschlägen, obwohl ich glaube, dass bei ihnen nicht nur die Haut leidet. Ihr könnt mir ruhig glauben, wenn ich Euch sage, dass ich schon einige Hauterkrankungen gesehen habe, bei denen es einem den Magen umdreht. Falls Euer Laird wirklich eine tödliche Krankheit hat, wäre er doch schon längst gestorben, oder nicht?«
Maldie war ein wenig erleichtert. Einen Moment lang befürchtete sie, dass irgendein blinder, dummer Teil in ihr sich wirklich Sorgen um diesen Kerl machte. Doch ein tiefer Blick in ihr Herz sagte ihr, dass ihr der Gedanke, den Mann zu töten, zwar Unbehagen bereitete, dass sie aber keinerlei verwandtschaftliche Gefühle zu ihm hegte. Offenbar war sie deshalb erleichtert, weil sie, falls sie Gelegenheit hatte, ihren Schwur zu erfüllen, keinen Mann töten würde, der schon im Sterben lag und womöglich zu gebrechlich war, sich zu verteidigen. Seit sie von Beatons schwerer Krankheit erfahren hatte, war sie von der Angst geplagt gewesen, einen Mann auf seinem Totenbett zu töten oder aber den Eid brechen zu müssen, den sie ihrer sterbenden Mutter geleistet hatte.
»Warum interessierst du dich so für die Gesundheit unseres Lairds?«, fragte Douglas.
»Ich bin eine Heilerin. Ihr seid ein Krieger, oder? Interessiert Ihr Euch etwa nicht für Schlachten und Waffen, auch ohne selbst daran teilgenommen zu haben oder die Waffe in der Hand gehalten zu haben?«
»Schön und gut – doch hör mir gut zu, Mädchen: Zurzeit ist es nicht ratsam, in Dubhlinn zu viele Fragen zu stellen, selbst für ein hübsches Mädchen wie dich.« Er deutete zum großen Saal. »Dein vernarrter Hofschranze ist weg.«
Sie nickte und ging. Dann blickte sie sich noch einmal um, weil sie sehen wollte, was ihr Gesprächspartner tat. Doch der war bereits verschwunden, und zwar so spurlos, dass sie sich fragte, ob er überhaupt dort gestanden hatte oder ob sie einer Sinnestäuschung zum Opfer gefallen war. Doch seine Warnung, nicht zu neugierig zu sein, war keine Sinnestäuschung gewesen, dafür hatte sie zu echt geklungen. Und obwohl in der Warnung keine Drohung gelegen hatte, fasste Maldie sie als solche auf. Vielleicht hatte sie ja von Douglas nichts zu befürchten, aber bei anderen war sie sich nicht so sicher.
Sie ging an der dicken Tür des großen Saals vorbei und spähte kurz hinein. Ihr Herz hüpfte vor Hoffnung und Erwartung, als sie sah, dass der Raum dunkel war und die Fenster mit dichten Tüchern verhüllt – und außerdem war er leer. Maldie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie schlich hinein. Stundenlang hatte sie sich überlegt, was sie sagen sollte, wenn man sie fragte, was sie hier zu suchen habe, doch jetzt sah es aus, als ob sie gar keine Erklärung bräuchte.
Erst als sie den Riegel der Tür zum Verlies abtastete, merkte sie, dass sie sich geirrt hatte. Der Saal hatte viele düstere Ecken, in die sie offenbar nicht sorgfältig genug gespäht hatte. Das erste Zeichen von Ärger waren ein paar leise Flüsterlaute, dann strömte plötzlich Licht in den Raum. Jemand hatte das Tuch von einem der Fenster weggerissen.
»Aha, die kleine Heilerin aus dem Dorf«, ertönte eine tiefe, heisere Stimme gedehnt. »Ich glaube nicht, dass ich dir befohlen habe, dich um meine Gefangenen zu kümmern.«
Maldie drehte sich sehr, sehr langsam um. Ein großer, dürrer Mann trat aus einer der düsteren Ecken und kam auf sie zu. Hinter ihm lief ein Mann, der noch größerer und hagerer war, doch nach einem raschen Blick auf sein verschlagenes Gesicht schenkte ihm Maldie keine
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