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Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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aufgehende Sonne zu hell in ihrem schwindenden Blick.‹ Das ist Gott, glaube ich, die aufgehende Sonne, und das Licht ist zu hell, und ihr Blick schwindet, aber sie verschwindet nicht. Ich glaube nicht, dass wir aus dem Jenseits zurückkehren, um die Lebenden heimzusuchen oder zu trösten oder so was, aber ich glaube ganz fest, dass wir weiterexistieren.«
    »Und doch hast du Angst vor dem Vergessenwerden.«
    »Natürlich, ich habe Angst vor dem irdischen Vergessen. Ich will nicht wie meine Eltern klingen, aber ich glaube, dass der Mensch eine Seele hat, und ich glaube, dass die Seele weiterlebt.
    Die Angst vor dem Vergessen ist etwas anderes, die Angst, dass ich im Tausch für mein Leben nichts zu geben habe. Wenn man sein Leben schon nicht einem höheren Zweck gewidmet hat, muss wenigstens der Tod einem höheren Zweck dienen, verstehst du? Und ich fürchte mich davor, dass mir weder ein Leben noch ein Tod bestimmt ist, der irgendwelche Bedeutung hat.«
    Ich schüttelte nur den Kopf.
    »Was?«, fragte er.
    »Deine Besessenheit, für etwas zu sterben oder ein Zeichen deiner Heldenhaftigkeit zu setzen oder so. Das ist irgendwie übertrieben.«
    »Jeder will ein außergewöhnliches Leben leben.«
    »Nicht jeder«, widersprach ich. Ich konnte meine Gereiztheit nicht verbergen.
    »Bist du sauer?«
    »Es ist nur«, begann ich, aber ich konnte den Satz nicht beenden. »Nur«, wiederholte ich. Zwischen uns flackerte die Kerze. »Es ist ziemlich gemein von dir, ausgerechnet mir zu sagen, dass nur ein Leben Bedeutung hat, das für irgendwas gelebt oder für irgendwas gestorben wurde. So was zu mir zu sagen ist echt gemein.«
    Ich kam mir dabei vor wie ein kleines Kind, das schmollt, und so schob ich mir den Löffel in den Mund, um so zu tun, als wäre es mir nicht so wichtig. »Tut mir leid«, sagte er. »So habe ich es nicht gemeint. Ich habe nur an mich selbst gedacht.«
    »Ja, genau«, sagte ich. Ich war zu voll, um den Teller leer zu essen. Ich hatte sogar Angst, dass ich mich übergeben musste, was mir nach dem Essen manchmal passierte. (Keine Magersucht, nur Krebs.) Ich schob Gus mein Parfait hin, aber er schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid«, sagte er wieder und griff über den Tisch nach meiner Hand. Ich überließ sie ihm. »Aber ich könnte noch schlimmer sein, weißt du?«
    »Wie das?«, fragte ich ironisch.
    »Immerhin hängt bei uns zu Hause ein Schild über dem Klo, auf dem in Schönschrift steht: ›Bade täglich im Trost von Gottes Wort.‹ Ich könnte noch viel schlimmer sein, Hazel.«
    »Klingt nicht sehr hygienisch«, sagte ich.
    »Ich könnte schlimmer sein.«
    »Ja, du könntest schlimmer sein.« Ich lächelte. Er mochte mich wirklich. Vielleicht war es Narzissmus oder so was, aber als mir in diesem Moment im Oranjee klar wurde, dass er mich wirklich mochte, mochte ich ihn plötzlich noch viel mehr.
    Unser Kellner kam, um das Dessert abzuräumen, und sagte: »Die Rechnung hat Mr. Peter Van Houten bezahlt.«
    Augustus lächelte. »Gar nicht übel, dieser Kerl.«
     
    Wir schlenderten am Kanal entlang, als es dunkel wurde. Einen Häuserblock vom Oranjee entfernt machten wir an einer Parkbank halt, zwischen Unmengen von Fahrrädern, die an einen Ständer und aneinandergekettet waren. Wir setzten uns hin, mit Blick auf den Kanal, und Augustus legte den Arm um mich.
    Ich betrachtete den Lichtschein über dem Rotlichtbezirk am Himmel. Obwohl es der Rotlichtbezirk war, war das Licht, das er verströmte, irgendwie unheimlich grün. Ich stellte mir vor, wie sich dort Tausende von Touristen betranken und zurauchten und wie Flipper-Kugeln durch die schmalen Gassen torkelten.
    »Ich kann kaum glauben, dass er uns morgen alles erzählt«, sagte ich. »Peter Van Houten wird uns das berühmte ungeschriebene Ende des besten Buchs aller Zeiten erzählen.«
    »Und er hat unser Abendessen bezahlt«, sagte Augustus.
    »Ich stelle mir vor, wie er uns vorher durchsucht, um sicherzugehen, dass wir kein Aufnahmegerät dabeihaben und nicht verkabelt sind. Und dann setzt er sich zwischen uns auf die Couch im Wohnzimmer und erzählt uns flüsternd, ob Annas Mutter den Tulpenholländer geheiratet hat.«
    »Vergiss Sisyphus den Hamster nicht«, sagte Augustus.
    »Und natürlich auch, welches Schicksal Sisyphus den Hamster erwartet.« Ich beugte mich vor und sah hinunter in den Kanal. Auf dem Wasser schwammen Unmengen der blassen Ulmenblättchen, dass es fast lächerlich schön war. »Eine Fortsetzung, die nur für uns existiert«,

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