Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
würde ich mit ihm nach Las Vegas durchbrennen und ihn heiraten.« »Gartenerbsensorbet, du bist so atemberaubend grandios.« Ich wünschte, ich hätte mehr Hunger gehabt.
Nach den grünen Knoblauch-Gnocchi mit roten Senfblättern verkündete der Kellner schließlich: »Als Nächstes kommt das Dessert. Mögt ihr zuerst noch ein paar Sterne?« Ich schüttelte den Kopf. Zwei Gläser waren genug für mich. Zwar war Champagner keine Ausnahme, was meine hohe Toleranz gegen Schmerz- und Beruhigungsmittel anging; mir war warm, aber ich war nicht beschwipst. Doch ich hatte nicht vor, mich zu betrinken. Abende wie diese waren rar gesät, und ich wollte mich an alles erinnern können.
»Mhm«, sagte ich, als der Kellner gegangen war, während Augustus, sein schiefes Lächeln lächelnd, den Kanal hinuntersah und ich den Kanal hinaufsah. Wir hatten jede Menge zu sehen, so dass unser Schweigen nicht peinlich war, aber ich wollte unbedingt, dass alles perfekt war. Ich wollte, dass wir redeten und Witze machten, doch es lag eine gewisse Spannung in der Luft.
»Das ist nicht mein Beerdigungsanzug«, sagte er schließlich. »Als ich erfuhr, dass ich krank war – ich meine, es hieß, ich hätte eine Heilungschance von fünfundachtzig Prozent, und ich weiß, dass das verdammt gute Chancen sind. Aber damals kam es mir vor wie russisches Roulette. Ich meine, zuerst würde ich sechs Monate oder sogar ein Jahr durch die Hölle gehen und ein Bein verlieren, und am Ende reicht es dann vielleicht trotzdem nicht, weißt du, was ich meine?«
»Ich weiß«, sagte ich, obwohl es nicht stimmte. Bei meiner Diagnose hatte es nie eine Heilungschance gegeben; all meine Therapien waren nur dazu da, mein Leben zu verlängern, nicht den Krebs zu heilen. Zwar hatte Phalanxifor einen gewissen Grad an Mehrdeutigkeit in meine Krebsgeschichte gebracht, aber bei mir war es anders als bei Augustus: Mein letztes Kapitel war von der Diagnose festgeschrieben. Gus lebte, wie die meisten Krebspatienten, nur mit der Ungewissheit.
»Na ja«, sagte er, »und dann hatte ich so eine Phase, wo ich mich unbedingt auf das Ende vorbereiten wollte. Wir haben ein Grab in Crown Hill gekauft, und ich bin mit meinem Vater auf dem Friedhof rumgelaufen und habe mir eine Stelle ausgesucht. Ich habe meine ganze Beerdigung geplant, und dann, kurz vor der OP, habe ich meine Eltern gebeten, mir einen richtig schicken Anzug zu kaufen, für den Fall, dass ich ins Gras beiße. Ich hatte noch keine Gelegenheit ihn anzuziehen. Bis heute Abend.«
»Dann ist es dein Todesanzug.«
»Eben. Hast du kein Todeskleid?«
»Doch«, sagte ich. »So ein Kleid, das ich für den Schulball in der neunten Klasse gekauft habe. Aber ich ziehe es nicht bei Rendezvous an.«
Seine Augen leuchteten auf. »Ach, das ist ein Rendezvous?«, fragte er.
Ich sah zu Boden und genierte mich. »Nicht drängeln.«
Wir waren beide pappsatt, aber das Dessert – ein zartes, cremiges Parfait in einem Kranz aus Maracujamark – war zu gut, um nicht wenigstens gekostet zu werden, und so saßen wir eine Weile über dem Nachtisch und versuchten wieder Hunger zu bekommen. Die Sonne war wie ein Kleinkind, das sich standhaft weigerte, ins Bett zu gehen: Es war nach halb neun und immer noch hell.
Aus heiterem Himmel fragte Augustus: »Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?«
»Ich glaube, ›für immer‹ ist ein inkorrektes Konzept«, antwortete ich.
Er grinste. »Du bist auch ein inkorrektes Konzept.«
»Ich weiß. Deswegen werde ich auch aus dem Umlauf genommen.«
»Das ist nicht lustig.« Er sah auf die Straße. Zwei Mädchen auf einem Fahrrad kamen vorbei, die eine seitlich auf dem Gepäckträger.
»Ach komm«, sagte ich, »es war nur ein Witz.«
»Es ist nichts Witziges an der Vorstellung, dass du aus dem Umlauf genommen wirst«, sagte er. »Aber mal im Ernst: ein Leben nach dem Tod?«
»Nein«, sagte ich, doch dann überdachte ich meine Aussage. »Vielleicht ist Nein zu viel gesagt. Und du?«
»Ja«, antwortete er voller Überzeugung. »Ja, absolut. Nicht an einen Himmel, wo wir auf Einhörnern herumreiten, Harfe spielen und in einem Schloss aus Wolken leben. Aber trotzdem: ja. Ich glaube an Irgendwas mit großem I . Habe immer daran geglaubt.«
»Wirklich?« Ich war überrascht. Ehrlich gesagt hatte ich den Glauben an den Himmel immer für eine Art intellektuellen Aussetzer gehalten. Doch Gus war nicht dumm.
»Ja«, sagte er leiser. »Ich glaube an die Zeile aus Ein herrschaftliches Leiden : ›Die
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