Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
den Tisch zu schieben. Auf dem mit einem weißen Tischtuch bedeckten Tisch standen tatsächlich zwei Champagnerflöten. Die noch kühle Luft wurde vom strahlenden Sonnenschein aufs Köstlichste temperiert; Radfahrer fuhren an uns vorbei – gut gekleidete Damen und Herren auf dem Heimweg von der Arbeit, umwerfend hübsche blonde Mädchen bei Freunden auf dem Gepäckträger, helmlose Kleinkinder, die auf Plastiksitzen hinter ihren Eltern herschaukelten. Und der Kanal auf der anderen Seite war von Millionen von Konfettisamen bedeckt. An der Ufermauer lagen kleine Boote, halb voll mit Regenwasser, manche schon fast gesunken. Ein Stück weiter sah ich Hausboote, die an Pontons festgemacht waren, und in der Mitte des Kanals tuckerte ein flaches, offenes Boot mit Liegestühlen und einer tragbaren Stereoanlage auf uns zu. Augustus nahm sein Champagnerglas. Ich griff nach meinem, auch wenn ich noch nie im Leben Alkohol getrunken hatte, bis auf einen Schluck von Dads Bier.
»Okay«, sagte er.
»Okay«, sagte ich, und wir stießen an. Ich trank einen Schluck. Die winzigen Blasen schmolzen in meinem Mund und wanderten nordwärts zu meinem Gehirn. Süß. Frisch. Prickelnd. »Schmeckt richtig gut«, sagte ich. »Ich habe noch nie Champagner getrunken.«
Ein stämmiger junger Kellner mit welligem Haar tauchte auf. Er wirkte noch größer als Augustus. »Wisst ihr«, fragte er uns mit hinreißendem Akzent, »was Dom Pérignon gesagt hat, als er den Champagner erfunden hatte?«
»Nein«, sagte ich.
»Er rief seinen Mönchskollegen zu: ›Kommt schnell her: ich schmecke die Sterne.‹ Willkommen in Amsterdam. Möchtet ihr die Karte oder die Empfehlung der Küche?«
Ich sah Augustus an und er mich. »Die Empfehlung der Küche klingt wunderbar, aber Hazel ist Vegetarierin.« Was ich vor Augustus nur ein einziges Mal erwähnt hatte, an dem Tag, als wir uns kennenlernten.
»Kein Problem«, erklärte der Kellner.
»Toll. Und können wir noch mehr von der Brause haben?« Gus zeigte auf den Champagner.
»Natürlich«, sagte unser Kellner. »Heute Abend haben wir alle Sterne in Flaschen abgefüllt, meine jungen Freunde. Ach, das Konfetti!«, seufzte er dann und fegte ein paar Samen von meiner nackten Schulter. »So schlimm war es seit Jahren nicht. Es ist überall. Ziemlich lästig.«
Der Kellner verschwand. Wir sahen zu, wie das Konfetti vom Himmel fiel, im Wind über den Boden schwebte und unter uns in den Kanal rieselte. »Schwer zu glauben, dass irgendwer das lästig findet«, sagte Augustus nach einer Weile.
»Die Menschen gewöhnen sich an Schönheit.«
»An deine Schönheit habe ich mich noch nicht gewöhnt«, sagte er lächelnd. Ich spürte, wie ich rot wurde. »Danke, dass du mit nach Amsterdam gekommen bist.«
»Danke, dass ich deinen Wunsch kidnappen durfte«, sagte ich.
»Danke, dass du dieses Kleid angezogen hast. Es ist echt wow«, sagte er. Ich schüttelte den Kopf und versuchte ihn nicht anzustrahlen. Ich wollte keine Bombe sein. Andererseits wusste er, was er tat, oder? Es war auch seine Entscheidung. »Hey, wie hört das Gedicht auf?«, fragte er.
»Bitte?«
»Das Gedicht, das du im Flugzeug zitiert hast.«
»Ach, Prufrock? Das Ende ist: In Meergewölben haben wir verweilt / bei Seemädchen in roten, braunen Seetangkränzen / Bis Menschenlaut uns weckt und wir ertrinken.«
Augustus nahm eine Zigarette heraus und klopfte mit dem Filter auf den Tisch. »Ja, ja, der blöde Menschenlaut macht immer alles kaputt.«
Der Kellner kam mit zwei neuen Champagnergläsern und etwas, was er »Belgischer Spargel mit Lavendelinfusion« nannte.
»Ich habe auch noch nie Champagner getrunken«, sagte Gus, als der Kellner gegangen war. »Nur, falls du dich das gefragt hast oder so. Außerdem habe ich noch nie weißen Spargel gegessen.«
Ich hatte die erste Gabel schon im Mund. »Es schmeckt zauberhaft«, stellte ich fest.
Er nahm einen Bissen. »Mann, wenn Spargel immer so schmecken würde, wäre ich auch Vegetarier«, sagte Gus. Auf dem Kanal unter uns fuhr ein glänzendes Boot mit mehreren Passagieren vorbei. Eine Frau mit blonden Locken, um die dreißig vielleicht, mit einem Bier in der Hand, hob ihr Glas und rief uns etwas zu.
»Wir sprechen kein Niederländisch«, rief Gus zurück.
Einer der anderen rief die Übersetzung: »Das schöne Paar ist schön.«
Das Essen war so gut, dass unsere Lobpreisungen seiner Köstlichkeit mit jedem Gang hymnischer wurden. »Wäre dieser Drachenkarottenrisotto ein Mensch,
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