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Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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auch wenn ich wünschte, ich könnte mir die Atemzüge selbst aussuchen.
    Ich las Ein herrschaftliches Leiden , bis gegen sechs meine Mutter aufwachte und sich zu mir rollte. Sie schmiegte den Kopf an meine Schulter, was ein bisschen unangenehm war, weil es mich irgendwie an Augustus erinnerte.
    Im Hotel wurde das Frühstück aufs Zimmer gebracht, und zu meiner großen Freude beinhaltete es Aufschnitt, neben anderen Verstößen gegen amerikanische Frühstückskonventionen. Das Kleid, das ich eigentlich für den Besuch bei Peter Van Houten anziehen wollte, war wegen des Essens im Oranjee in der Garderobenfolge einen Platz nach vorn gerutscht, und nachdem ich geduscht und meine Haare in eine einigermaßen anliegende Position gebracht hatte, diskutierte ich eine halbe Stunde lang mit meiner Mutter über die Vor- und Nachteile der verfügbaren Outfits, bis ich beschloss, mich so Anna-mäßig wie möglich anzuziehen: Converse-Turnschuhe und dunkle Jeans, die sie immer trug, und ein hellblaues T-Shirt.
    Auf dem T-Shirt war ein berühmtes surrealistisches Gemälde von René Magritte abgebildet, eine Pfeife, unter der in gemalten Buchstaben stand: Ceci n’est pas une pipe. (»Das ist keine Pfeife.«)
    »Ich verstehe das T-Shirt einfach nicht«, sagte Mom.
    »Peter Van Houten wird es verstehen, verlass dich drauf. In Ein herrschaftliches Leiden gibt es ungefähr siebentausend Anspielungen auf Magritte.«
    »Aber es ist doch eine Pfeife.«
    »Nein, ist es nicht«, sagte ich. »Es ist das Bild einer Pfeife. Verstanden? Alle Darstellungen von Dingen sind von Natur aus abstrakt. Es ist sehr schlau.«
    »Wann bist du bloß so erwachsen geworden, dass du Dinge verstehst, die deine alte Mutter nur verwirren?«, fragte sie. »Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, dass ich einer siebenjährigen Hazel erklärt habe, warum der Himmel blau ist. Damals hast du mich für ein Genie gehalten.«
    »Warum ist der Himmel eigentlich blau?«, fragte ich.
    »Weil«, antwortete sie. Ich lachte.
    Je näher zehn Uhr rückte, desto nervöser wurde ich: nervös wegen Augustus; nervös wegen Peter Van Houten; nervös, dass ich nicht passend angezogen war; nervös, weil ich Angst hatte, dass wir uns verirrten und nicht zum Filosoof zurückfanden; nervös, nervös, nervös. Mom versuchte mit mir zu reden, aber ich konnte nicht zuhören. Als ich sie gerade bitten wollte, nach oben zu gehen und nachzusehen, ob Augustus verschlafen hatte, klopfte er an die Tür.
    Ich machte auf. Er sah mein T-Shirt an und lächelte. »Lustig«, sagte er.
    »Nenn meinen Busen nicht lustig«, entgegnete ich.
    »Ich bin auch noch da«, rief Mom, die hinter uns stand. Aber ich hatte Augustus zum Erröten gebracht und ihn verlegen gemacht, und daher schaffte ich es endlich, in seine durchsichtigen wasserblauen Augen zu sehen.
    »Willst du wirklich nicht mitkommen?«, fragte ich Mom.
    »Ich gehe ins Rijksmuseum und in den Vondelpark«, sagte sie. »Außerdem verstehe ich das Buch einfach nicht. Nimm es mir nicht übel. Aber bedank dich auch in unserem Namen bei Van Houten und Lidewij, versprochen?«
    »Versprochen«, sagte ich. Ich drückte Mom, und sie küsste mein Haar über dem Ohr.
     
    Peter Van Houtens weißes Reihenhaus war gleich um die Ecke von unserem Hotel, auf der Vondelstraat mit Blick auf den Park. Nummer 158. Augustus nahm meinen Arm, griff mit der anderen Hand nach dem Sauerstoffwagen und führte mich die drei Stufen zu der blauschwarz lackierten Haustür hinauf. Ich hatte Herzklopfen. Eine geschlossene Tür entfernt von den Antworten, die ich brauchte, seit ich zum ersten Mal die letzte unvollendete Seite aufgeschlagen hatte.
    Von drinnen waren Bässe zu hören, so laut, dass die Fensterläden schepperten. Ich fragte mich, ob Peter Van Houten Kinder hatte, die auf Rap standen.
    Ich griff nach dem Türklopfer in Form eines Löwenkopfs und klopfte vorsichtig. Die Bässe wummerten weiter. »Vielleicht ist die Musik zu laut, und er hört nichts?«, sagte Augustus. Dann nahm er den Löwenkopf und klopfte kräftiger.
    Die Musik verstummte, und stattdessen waren schlurfende Schritte zu hören. Ein Riegel wurde zurückgeschoben. Dann noch einer. Quietschend ging die Tür auf. Ein bierbäuchiger Mann mit hängenden Wangen und einem Siebentagebart blinzelte ins Sonnenlicht. Er trug einen himmelblauen Herrenpyjama wie jemand aus einem alten Film. Sein Gesicht und sein Bauch waren so rund und seine Arme so dünn, dass er aussah wie eine Kuchenteigkugel, in die

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