Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
schreiben kann. Sein Hirn ist wie ein Schweizer Käse. Er kann sich nicht mal erinnern, wie er das Buch geschrieben hat. Ich kriege eine zehnmal bessere Geschichte hin. Mit Blut und Schweiß und Opfern. Ein herrschaftliches Leiden trifft auf Preis der Morgenröte. Es wird dir gefallen.« Ich nickte wieder und zwang mich zu lächeln, und dann nahm er mich in die Arme, in seine starken Arme, zog mich an seine muskulöse Brust, und ich heulte ihm noch ein bisschen ans Polohemd, bis ich mich so weit gefangen hatte, dass ich sprechen konnte.
»Ich habe deinen Herzenswunsch an einen Drecksack verschwendet«, sagte ich in seine Brust.
»Hazel Grace. Nein. Ich gebe zu, dass du meinen einen und einzigen Herzenswunsch gekidnappt hast, aber du hast ihn nicht an ihn verschwendet. Du hast ihn uns geschenkt.«
Hinter uns hörte ich das Klack klack hastender Stöckelschuhe. Ich drehte mich um. Es war Lidewij, die uns mit verlaufener Wimperntusche und gebührender Entrüstung auf dem Bürgersteig nachlief. »Vielleicht sollten wir zum Anne-Frank-Huis gehen«, schlug sie vor.
»Mit dem Mann gehe ich nirgendwohin«, sagte Augustus.
»Er ist nicht eingeladen«, erwiderte Lidewij.
Augustus hielt mich immer noch im Arm, beschützend, die Hand auf meiner Wange. »Ich glaube nicht …«, begann er, aber ich unterbrach ihn.
»Gehen wir.« Ich wollte immer noch die Antworten von Van Houten. Aber das war nicht das Einzige, was ich wollte. Ich hatte nur noch zwei Tage mit Augustus Waters in Amsterdam. Ich würde nicht zulassen, dass ein trauriger alter Mann sie mir ruinierte.
Lidewij fuhr einen eckigen grauen Fiat mit einem Motor, der wie eine aufgeregte Vierjährige klang. Auf dem Weg durch die Amsterdamer Straßen entschuldigte sie sich vielfach und überschwänglich. »Es tut mir so leid. Es gibt keine Entschuldigung. Er ist sehr krank«, sagte sie. »Ich dachte, das Treffen mit euch würde ihm helfen, weil er sehen würde, wie sein Werk das Leben echter Menschen beeinflusst, aber … Es tut mir so leid. Das alles ist sehr, sehr, sehr unangenehm.« Weder Augustus noch ich sagten ein Wort. Ich saß auf dem Rücksitz hinter ihm. Ich schob die Hand zwischen der Tür und seinem Sitz durch auf der Suche nach seiner Hand, aber ich konnte sie nicht finden. Lidewij redete weiter: »Ich habe sein Werk fortgeführt, weil ich glaube, dass er ein Genie ist, und weil er sehr gut gezahlt hat, aber er hat sich in ein Monster verwandelt.«
»Mit dem Buch ist er wohl ziemlich reich geworden«, sagte ich nach einer Weile.
»O nein, nein, er gehört zu den Van Houtens«, erklärte sie. »Einer seiner Vorfahren hat im siebzehnten Jahrhundert entdeckt, wie man Kakao in Wasser auflöst. Die Linie der Van Houtens, aus der Peter stammt, ist vor langer Zeit nach Amerika übergesiedelt, aber nach dem Roman ist er zurück nach Holland gezogen. Er ist eine Blamage für eine große Familie.«
Der Motor kreischte. Lidewij schaltete einen Gang herunter, und wir schossen eine Kanalbrücke hinauf. »Es sind die Umstände«, sagte sie. »Die Umstände haben ihn so grausam gemacht. Er ist kein böser Mensch. Aber heute – ich hätte nie gedacht – als er diese schrecklichen Dinge sagte, ich konnte es nicht glauben. Es tut mir sehr leid. Sehr, sehr leid.«
Wir mussten zwei Straßen vom Anne-Frank-Haus entfernt parken, und während Lidewij in der Schlange an der Kasse stand, setzte ich mich an einen Baum und betrachtete die Hausboote, die in der Prinsengracht vor Anker lagen. Augustus stand neben mir, rollte in trägen Kreisen meinen Sauerstoffwagen herum und sah zu, wie sich die Räder drehten. Ich hätte gern gehabt, dass er sich neben mich setzte, aber ich wusste, dass ihm das Hinsetzen schwerfiel und das Aufstehen noch schwerer. »Okay?«, fragte er und sah zu mir herunter. Ich zuckte die Schultern und legte die Hand auf seine Wade. Es war die künstliche Wade, aber ich hielt ihn trotzdem fest. Er sah zu mir herunter.
»Ich wollte …«, sagte ich.
»Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß. Anscheinend ist die Welt keine Wunscherfüllmaschine.« Damit brachte er mich ein bisschen zum Lächeln.
Lidewij kam mit den Eintrittskarten zurück, doch sie schürzte besorgt die schmalen Lippen. »Es gibt keinen Fahrstuhl«, erklärte sie. »Es tut mir sehr, sehr leid.«
»Es geht schon«, sagte ich.
»Aber es gibt viele Treppen«, sagte sie. »Steile Treppen.«
»Es geht schon«, wiederholte ich. Augustus wollte etwas sagen, doch ich unterbrach ihn. »Es geht.
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