Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
Vom Netzwerk:
meines Vaters gedrückt zu werden. Es fühlte sich fast an, als wäre er sauer oder so was, und das gefiel mir, weil ich auch sauer war. »Es ist alles so ein verdammter Mist«, sagte er. »Mist. Achtzig Prozent Heilungschance, und er gehört zu den anderen zwanzig Prozent? Mist. Er war so ein heller Junge. Verdammter Mist. Ich finde es zum Kotzen. Aber es war bestimmt ein Privileg, ihn zu lieben, oder?«
    Ich nickte in sein T-Shirt.
    »Dann kannst du dir vielleicht ein bisschen vorstellen, wie es mir mit dir geht«, sagte er.
    Mein alter Herr. Er sagte immer das Richtige.

KAPITEL DREIUNDZWANZIG
     
    Ein paar Tage später stand ich gegen Mittag auf und fuhr bei Isaac vorbei. Er machte die Tür selbst auf. »Meine Mutter ist mit Grant im Kino«, sagte er.
    »Wir sollten irgendwas machen«, sagte ich.
    »Auf der Couch sitzen und Videospiele für Blinde spielen?«
    »Ja, genau so was meinte ich.«
    Also saßen wir ein paar Stunden da, redeten zusammen auf den Bildschirm ein und irrten durch das unsichtbare Höhlenlabyrinth, in dem es nicht einen Funken Licht gab. Das Unterhaltsamste an dem ganzen Spiel war zu versuchen, den Computer in ein witziges Gespräch zu verwickeln:
    Ich: Berühr die Höhlenwand.
    Computer: Du berührst die Höhlenwand. Sie ist feucht.
    Isaac: Leck an der Höhlenwand.
    Computer: Ich verstehe nicht. Bitte wiederholen.
    Ich: Rumpel gegen die feuchte Höhlenwand.
    Computer: Du humpelst gegen die Höhlenwand. Du schlägst dir den Kopf an.
    Isaac: Nicht humpeln . RUMPELN .
    Computer: Ich verstehe nicht.
    Isaac: Mann, seit Wochen bin ich allein in der Höhle, ich muss mich abreagieren. RUMPEL GEGEN DIE HÖHLENWAND.
    Computer: Du humpelst gegen die …
    Ich: Drücke das Becken gegen die Höhlenwand.
    Computer: Ich verstehe nicht …
    Isaac: Habe Sex mit der Höhlenwand.
    Computer: Ich verst…
    Ich: NA GUT . Geh nach links.
    Computer: Du gehst nach links. Der Gang wird niedriger.
    Ich: Geh auf allen vieren.
    Du: Du legst hundert Meter auf allen vieren zurück. Der Gang wird niedriger.
    Ich: Kriech auf dem Boden.
    Computer: Du legst dreißig Meter kriechend zurück. Von der Decke läuft Wasser. Du erreichst einen Haufen kleiner Steine, der den Durchgang blockiert.
    Isaac: Kann ich jetzt gegen die Höhle rumpeln?
    Computer: Du kannst nicht humpeln, die Höhle ist zu niedrig.
    Isaac: Ich hasse die Welt ohne Augustus Waters.
    Computer: Ich verstehe nicht.
    Ich: Ich auch. Pause.
     
    Er ließ die Fernbedienung zwischen uns auf die Couch fallen und fragte: »Weißt du, ob es wehgetan hat oder so was?«
    »Anscheinend hat er keine Luft gekriegt«, sagte ich. »Irgendwann hat er das Bewusstsein verloren, aber es hörte sich an, na ja, als ob es nicht besonders toll war oder so. Sterben ist scheiße.«
    »Ja«, sagte Isaac. Und dann nach einer langen Zeit: »Es kommt einem nur so unmöglich vor.«
    »Passiert dauernd.«
    »Du klingst wütend«, sagte er.
    »Ja«, sagte ich. Dann saßen wir eine lange Zeit einfach nur schweigend da, was in Ordnung war, und ich dachte an den Tag vor langer, langer Zeit, ganz am Anfang, in Jesus’ buchstäblichem Herzen, als Gus uns sagte, dass er sich vor dem Vergessen fürchtete, und ich ihm sagte, dass er sich vor etwas Allumfassendem und Unausweichlichem fürchtete und dass das eigentliche Problem weder das Leiden noch das Vergessen war, sondern die elende Bedeutungslosigkeit, der vollkommen unmenschliche Nihilismus des Leidens. Ich dachte daran, was mein Vater gesagt hatte, dass das Universum bemerkt werden wolle. Dabei war es genau umgekehrt, wir wollen vom Universum bemerkt werden, wir wollen nicht, dass das Universum sich eine Bohne darum schert, wie es uns ergeht, nicht um die kollektive Idee eines fühlenden Lebens, sondern um jeden Einzelnen von uns als Individuum.
    »Gus hat dich wirklich geliebt, weißt du«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    »Er konnte von nichts anderem reden.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Es hat genervt.«
    »Mich hat es nicht genervt«, sagte ich.
    »Hat er dir je das Ding gegeben, an dem er schrieb?«
    »Welches Ding?«
    »Die Fortsetzung oder so von dem Buch, auf das du standst.«
    Ich sah Isaac an. »Was?«
    »Er hat gesagt, er würde irgendwas für dich schreiben, aber er sei kein besonders guter Schriftsteller.«
    »Wann hat er das gesagt?«
    »Ich weiß nicht. Irgendwann, nachdem er aus Amsterdam zurück war oder so.«
    »Oder so wann ?«, hakte ich nach. Hatte er es nicht mehr fertigstellen können? War er fertig geworden, und es war

Weitere Kostenlose Bücher