Das Schiff aus Stein
nicht jeder. Man muss sich dazu sehr gründlich mit den Sternen beschäftigen. Und irgendwie hilft mir dabei auch, dass ich von den Pharaonen abstamme. Aber das sollen die beiden nicht wissen! Niemals! Dann weiß es nämlich auch Coralia. Und sie hasst mich, das spüre ich!«
»Sie ist irgendwie eifersüchtig auf dich«, flüsterte Rufus.
»Ja, sie hat Angst, dass ich etwas kann, was sie nicht kann. Keine Ahnung, warum. Aber ich bin sicher, dass ich mich vor ihr hüten muss.« Filine zögerte. »Und da war noch etwas, Rufus. Hast du vergessen, wie Anselm heute Morgen unbedingt wissen wollte, was du in deinem Beutel hast?«
»Der Wendelring«, entfuhr es Rufus. »Du hast recht! Danke, dass du mir geholfen hast!« Er schwieg nachdenklich. »Glaubst du, er wollte mich für Coralia ausspionieren oder so?«
»Vielleicht«, meinte Filine. »Vielleicht auch nicht. Aber in den Lehren der ägyptischen Weisheitsbücher heißt es: ›Ein falscher Mann sagt einem andren nicht, was er im Herzen hat. Was er wirklich möchte, kommt in seinen Ratschlägen nicht zum Vorschein.‹« 1
»Puh«, sagte Rufus. »Das wäre aber ziemlich doof. In einer Flut muss man sich aufeinander verlassen können. Und überhaupt …«
»Ja«, murmelte Filine. »Deswegen denke ich ja die ganze Zeit darüber nach. Vielleicht war er auch einfach nur neugierig und ich bin zu misstrauisch.« Sie seufzte. »Und da wir nun mal zusammen mit den beiden in der Flut sind, werden wir sie hoffentlich auch zusammen meistern.«
Rufus lächelte. »Dann schlaf gut, Fili!«
»Du auch, Rufus. Gute Nacht!«
»Gute Nacht.« Rufus legte sich wieder hin. Bald darauf drangen aus Filines Bett regelmäßige Atemzüge.
Und zum Glück hatte No aufgehört zu schnarchen.
Dennoch konnte Rufus nicht einschlafen. Filines Worte hatten ihn wieder wach gemacht, und er dachte erneut an den vergangenen Tag. Am Vormittag hatte die Flut die Nachricht vom Diebstahl des Nikekopfes völlig überlagert. Jetzt aber kreisten seine Gedanken um diesen schlimmen Verlust.
Wie konnte es nur sein, dass das Artefakt gestohlen worden war!?
Der Kopf der Nike war für einen Dieb sicher Millionen wert. Geld, sehr viel Geld, mit dem man einiges anfangen konnte, wenn man den Kopf erfolgreich verkaufte. Aber was? Und was besonders dann, wenn es wirklich jemanden in der Akademie gab, der in dieser Sache mit drinsteckte? In der Akademie brauchte man als Einzelner kein Geld. Und das Geld, das die Akademie insgesamt benötigte, besorgten sich ihre Mitglieder, indem sie dann und wann über versteckte Wege ein Artefakt in die Welt brachten.
Der Diebstahl des Kopfes aber verhinderte genau dies. Er drohte das Geheimnis der Akademie zu verraten und gefährdete alles, was die Meister und die Flutmarkthändler aufgebaut hatten.
Was aber bewog jemanden in der Akademie, die Grundfesten der alten Einrichtung so zu erschüttern? Wieso sollte jemand den Ast absägen, auf dem er doch logischerweise auch selbst mit saß?
Rufus überlief ein kalter Schauer, wenn er daran dachte. Denn die Antwort konnte nur Geld- und Machtgier lauten.
Seine Gedanken wanderten zu Coralia. Filine hatte recht, es war nicht schön, jemanden zu beschuldigen. Schließlich konnte man sich irren. Aber er musste sich trotzdem damit auseinandersetzen.
Wenn Coralia dahintersteckte, dann setzte sie den Fortbestand der Akademie bewusst aufs Spiel. Und das tat sie sicher nicht nur für ein Artefakt, auch wenn es Millionen wert war. Wenn sie den Diebstahl angezettelt hatte, dann war sie vielleicht sogar dabei, ein anderes Netz als das der Flutmarkthändler aufzubauen. Ein Netz von neuen Händlern, bei dem es wohl nicht um die Versorgung der Menschheit mit Wissen um ihre Vergangenheit ging, sondern eher um Coralia selbst.
Und hatte sie tatsächlich seine Mutter für ihre Pläne gewonnen?
Wenn Coralia seine Mutter dazu gebracht hatte, heimlich für sie Artefakte aus der Akademie zu verkaufen, wozu brauchte diese dann das Geld, das sie sicher aus den Verkäufen erhielt? Was wollte sie mit dem Geld anfangen?
Im nächsten Augenblick war es, als schlüge ein Blitz in Rufus ein. Die Erinnerung durchdrang ihn eiskalt und siedend heiß zugleich.
Ich werde eine Ritterin des Geldes werden! Das hatte ihm seine Mutter einmal klipp und klar gesagt. Und zwar damals, als sie ihn gefragt hatte, ob er mit ihr mitkommen wolle, weil sie und sein Vater sich trennten.
Rufus hatte das nie wirklich verstanden. Und er hatte die Erinnerung daran tief in sich
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