Das Schiff aus Stein
gesehen hatten, während Oliver sämtliche Zeichnungen, die er in der Flut gemacht hatte, auf den Tisch legte und auch jetzt eifrig weiterzeichnete.
Rufus sah ihm dabei zu. Dabei kam ihm wieder in den Sinn, dass er sich an irgendetwas, was der Onkel seinem Neffen gesagt hatte, hatte erinnern wollen. Doch es wollte ihm einfach nicht einfallen. Schließlich zog Rufus seinen eigenen Zeichenblock hervor. Er arbeitete fast ausschließlich mit Bleistift. Oliver hingegen benutzte Buntstifte und Wachsmalkreiden. Seine Bilder wuchsen regelrecht aus Farben hervor.
Immer wieder blickte Rufus zu ihm hinüber, während er selbst zuerst den Glasofen und dann auf einem zweiten Blatt die hohen Gebäude der Flutstadt zu Papier brachte.
Nach einer Weile hielt Oliver inne. Bewundernd schaute er auf die tiefe Straßenschlucht, die Rufus mit raschen Zügen entworfen hatte und in deren Mitte sich der säulenflankierte Eingang befand, durch den sie den Hof betreten hatten. Plötzlich griff Oliver nach der Zeichnung des Glasofens und legte sie dicht neben das Bild. Dann zog er eines seiner eigenen Blätter hervor, auf dem einige der Glaswaren in prächtigen Farben leuchteten, und legte es ebenfalls daneben.
Für einen Moment schien es Rufus, als würden die Bilder zusammen ein Mosaik bilden, an dessen Rand sich die unbekannten Teile der Flut zaghaft zu sammeln begannen.
Aber dann hörte er Anselm, der gerade zu Filine sagte: »… und da waren noch total viele andere Geschäfte …«, und schon war der kurze Eindruck wieder vergangen.
Überrascht sah Rufus Oliver an.
Konnten sie mithilfe ihrer Bilder über die Flut sprechen oder sie durch ihre Bilder sogar herbeirufen?
Doch Oliver achtete schon nicht mehr auf ihn. Er malte völlig versunken weiter.
Rufus stieß ihn an. Als Oliver aufsah, tippte Rufus nacheinander auf die drei Bilder und deutete dann auf den Raum um sie herum. »Ich hatte eben den Eindruck, dass die Flut zurückkäme …«
Oliver lächelte und nickte. Er zeigte auf das leere Papier vor sich und bedeutete, dass es nötig sei, weiterzumalen. Und das tat er dann auch.
Rufus sah auf ihre Bilder, die einträchtig nebeneinanderlagen. Und plötzlich hatte er das Gefühl, dass sie beide zum ersten Mal wirklich miteinander gesprochen hatten.
In den nächsten Stunden machte die Flut allerdings keine Anstalten zurückzukehren.
Nach einem weiteren Mahl aus Pemmikan, Stockfisch und Rosinen beschlossen die Lehrlinge, ins Bett zu gehen.
Anselm und Bent bezogen ihr Zimmer im oberen Stockwerk, Oliver ging in das Akrobatenzimmer, und Filine, Rufus und No kletterten in ihre chinesischen Betten.
Trotz des etwas staubigen Geruchs gefiel Rufus die kleine Holzkammer, deren tiefes Rot ihn wie ein Sonnenuntergang umhüllte. Dazu spielte das sanfte Licht einer Petroleumlampe, die sie auf dem Schreibtisch hatten brennen lassen, über das Holz und beleuchtete zudem eine zarte Tuschezeichnung an der Wand, auf der ein Akrobat über ein Seil balancierte. Unwillkürlich musste Rufus an Oliver denken Aus Nos Bett drang ein leises Schnarchen. Rufus gähnte. Es war ein sehr ereignisreicher Tag gewesen. In seinen Gedanken ließ er das Erlebte noch einmal an sich vorüberziehen. Dabei fiel ihm ein, wie seltsam sich Filine in der Bibliothek verhalten hatte, als sie mit Anselm und Bent über das Eidouranion gesprochen hatte.
»Filine? Schläfst du schon?«, flüsterte Rufus.
»Noch nicht«, kam es aus dem hinteren Bett zurück. »Ich denke gerade darüber nach, ob es wirklich so klug war, mit Bent und Anselm zusammen in eine Flut zu gehen.«
Überrascht setzte Rufus sich auf. Die großen Betten schimmerten in der Dunkelheit wie drei einsame Burgen, die sich von drei Berggipfeln aus anguckten.
»Wolltest du ihnen deswegen nichts über das Eidouranion erzählen? Das mit dem Glück war doch Blödsinn, du weißt doch ganz genau, wie man es bedient!«
»Ja«, kam es durch die Dunkelheit zurück. »Ich vertraue ihnen einfach nicht. Ich weiß, das ist vielleicht völlig ungerechtfertigt. Aber so ist es nun mal. Bent und Anselm haben bisher immer Coralia geholfen. Sie sind immer um sie rum, wie ihre Diener oder so.«
Rufus nickte im Dunkeln. Es stimmte, was Filine da sagte. Die beiden hatten ihm sogar schon in Coralias Auftrag aufgelauert und ihn zu ihr bestellt, als sie ihn sprechen wollte.
»Ich will nicht«, fuhr Filine fort, »dass sie denken, ich sei etwas Besonderes oder so, weil ich das Eidouranion bedienen kann. Das kann nämlich wirklich
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