Das Schiff aus Stein
geheimen Garten zurück in den Rochusturmkanal und verschloss auch dort das Gittertor. Die Bisamratte fauchte leise.
»Danke, Minster!« Rufus ging in die Knie und streichelte sie. »Du bist vielleicht die beste Freundin, die ich hier habe!«
Minster stupste Rufus mit der Schnauze in die Handfläche. Dann drehte sie sich um und lief in die Dunkelheit davon.
Als Rufus zehn Minuten später über die Holzleiter in Meister Otomos Haus zurückkehrte, hörte er Oliver auf seinem Teppichlager gleichmäßig atmen. Er schlich auf Zehenspitzen in den Flur und nahm den Wendelring wieder an sich. Dann betrat er das Zimmer mit den chinesischen Betten. Filine und No schliefen tief und fest. Und auch aus der geheimen Verbindungsröhre in seinem Bett drangen keine Stimmen.
Rufus war sich sicher, dass keiner der anderen Lehrlinge seine Abwesenheit bemerkt hatte. Er zog sich aus, legte den Wendelring unter sein Kopfkissen und kuschelte sich in die Decke.
Jetzt, wo er um die seltsame Kraft des Wendelrings wusste, konnte er seinerseits Coralia ausspionieren, ohne dass Anselm und Bent es merkten, wenn er es nur geschickt genug anstellte.
Rufus überlegte, ob er sich Filine und No mitteilen sollte. Aber dass Anselm und Bent in der Nähe waren, machte ihn unsicher. Niemand durfte von seinem Geheimnis wissen. Und solange er nicht sicher war, dass Anselm und Bent ihn auf keinen Fall beobachten konnten oder ihm vielleicht etwas anmerkten, war es vielleicht besser sich unauffällig zu verhalten und zu schweigen.
Er hatte jetzt einen Vorteil, und doch war er einsamer als zuvor, jetzt, wo Meister McPherson auf lange Zeit nicht wiederkommen würde. Rufus grübelte, wie er sich in den kommenden Tagen verhalten sollte.
Doch schließlich übermannte ihn die Müdigkeit und er sank in einen traumlosen Schlaf.
Das Schiff aus Stein
Als Rufus früh am nächsten Morgen in seinem chinesischen Kastenbett aufwachte, wusste er, was zu tun war. Wie so oft war ihm eine Idee zur Lösung eines Problem über Nacht im Schlaf gekommen.
Ganz egal, was Coralia von ihm wollte und was sie möglicherweise vorhatte, er würde alles tun, um die Flut zu meistern.
Die Fluten waren der Weg der Erkenntnis und des Verstehens in der Akademie. Und sie für einen Kampf gegen welche Gegner auch immer aufzugeben, hieße, die geheime Quelle der Kräfte der Akademie zu verraten, die ihn so reich beschenkt hatte.
Und er hatte auch eine Idee, wie sie die Flut vielleicht wieder wachrufen konnten.
Rufus stand auf. No und Filine schliefen noch. Er steckte den Wendelring zurück in seinen Hirschlederbeutel, ging sich waschen und anziehen und machte sich danach auf den Weg in die Küche.
Keiner der anderen war bisher aufgestanden. Auf dem Tisch standen noch die schmutzigen Teller vom Abend zuvor. Rufus räumte sie zusammen und fing an abzuwaschen. Auch das gehörte zu den Aufgaben der Lehrlinge, wenn sie über längere Zeit in einer größeren Flutgruppe zusammen waren. Dann bereitete er für alle das Frühstück vor.
Meister Spitznagel hatte offenbar frische Lebensmittel geschickt, während Rufus im Bett gelegen hatte. Er fand einen Korb voller Honigkuchen aus Reismehl, Pflaumen und frische Kirschen sowie Bohnen und einige grüne Blätter, die wie Spinat aussahen, aber anders schmeckten, als Rufus eines probierte.
»Das sind Malvenblätter«, hörte er plötzlich Filines Stimme hinter sich. Sie war unbemerkt in die Küche gekommen. »Meister Spitznagel hat uns ausrichten lassen, im alten China hätte man sie zusammen mit den Bohnen wie Spinat gegessen.« Filine kicherte. »Aber zum Frühstück nehme ich doch lieber Honigkuchen.«
Sie sah Rufus an.
»Wir haben gestern nichts mehr rausgefunden. Ich glaube, No hat mit Anselm und Bent sowieso nur an Bents Schwert geforscht. Das war wirklich ein etwas seltsamer Tag. Irgendwie wie in einem Hotel, wenn es regnet und man nicht rausgehen kann, obwohl man genau das vorgehabt hat.«
Rufus stellte Teller auf den Tisch und nickte. »Ich habe mich auch blöd verhalten. Ich habe einen Fehler gemacht in der Flut. Es tut mir leid.« Er sah Filine entschuldigend an.
Im selben Moment ertönte ein lauter Ruf, der Rufus durch Mark und Bein fuhr.
»Rufus! Rufuuus! Komm doch mal ans Fenster.«
Es war Coralias Stimme.
»Was will die denn hier?«, fragte Filine, die die Stimme natürlich auch erkannt hatte.
»Keine Ahnung!« Aber Rufus spürte, dass er rot wurde. Er senkte den Blick und trat ans Fenster, das auf den Kanal hinausführte. An
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