Das Schiff aus Stein
der Anchetcheprure das gesagt, standen die Lehrlinge wieder in der Stadt.
Es war heller Mittag. Über ihnen ragten die hohen Häuser auf, und um sie herum wimmelte es von Menschen. Dazu umgab sie der Geruch, über den sie gerade gesprochen hatten, als dichte, übel riechende Wolke. Doch diesmal scherte sich keiner der Lehrlinge darum.
»Woher wusstest du das?«, fragte Rufus Filine.
»Ich habe gestern Abend ein Buch über das Zeitalter der frühen Glasherstellung gelesen und wann Glas eigentlich auf solchen Drehscheiben hergestellt wurde, wie wir sie gesehen haben. Und das war zufällig in derselben Zeit, als der Purpurfarbstoff sehr kostbar und berühmt war.«
»Und wo wurde dieses Purpur hergestellt?«, erkundigte sich No.
»Bei den Griechen, aber auch bei den Phöniziern«, antwortete Filine. »Damit wurden die kostbarsten Gewänder und Mäntel gefärbt!« Sie sah sich um. »Und da wir beim letzten Mal schon festgestellt haben, dass wir nicht bei den Griechen sind, bleiben wohl nur die Phönizier. Aber leider waren diese nicht einfach ein Volk, sondern eigentlich eher ein großer und loser Zusammenschluss von einzelnen Städten. Es gab kein Königreich Phönizien, sondern viele Stadtstaaten. Auch wenn man heute allgemein von den Phöniziern oder auch Kanaanäern oder Kanaanitern spricht.«
»Das scheint ja zu passen«, meinte No. »Zumindest zeigt das die Rückkehr der Flut an. Dann sollten wir uns aber diesmal nicht wieder ablenken lassen!« Er blickte sich um. »Und wohin gehen wir?«
»Wir warten«, erklärte Rufus.
»Und worauf warten wir?«, fragte Anselm, dem das spöttische Lachen vergangen war.
Rufus holte Luft. Dann erklärte er: »Die beiden Glasmacher haben beim ersten Auftauchen der Flut ja gesagt, dass sie mit einem griechischen Kaufmann sprechen müssen. Und ich denke, dass sie es sind, zu denen uns die Flut geführt hat. Sie haben diesem Kaufmann schlechtes Glas gemacht. Und der Onkel hat bestimmt, dass sein Neffe mit dem Griechen reden soll. Und deswegen will ich hier darauf warten, dass er vorbeikommt.«
»Und wieso soll es um die Glasmacher gehen?«, erkundigte sich Bent.
»Das will ich dir zeigen.« Rufus öffnete seinen Beutel und zeigte den anderen sein Fragment, die blaue Scherbe. »Mein Fragment ist ein Stück Glas, es könnte sich also darum handeln. Oder hat einer von euch einen anderen Vorschlag? Was habt ihr für Fragmente?«
No schüttelte den Kopf. »Mit meinem Fragment hat das hier eher nichts zu tun, es ist so ein Stück Schnur oder so was, keine Ahnung. Aber ich glaube, es ist nicht meine Flut.«
»Das denke ich für mich auch«, sagte Filine.
Anselm sah Rufus überrascht an. »Das habe ich ja noch nie erlebt, dass jemand sein Fragment einfach so herzeigt. Okay, mein Fragment könnte es vielleicht sogar sein, aber ich finde keine Spur dafür in dieser Flut. Du hast bisher mehr gesehen als ich, was das angeht. Und deswegen komme ich mit dir mit.«
»Na schön«, schloss Bent sich an.
»Und du, Oliver?«, wollte Rufus wissen.
Oliver lachte lautlos. Er öffnete seinen Beutel und zog etwas hervor, das wie ein Stück Stoff oder Leinwand aussah. Dann zuckte er die Schultern. Im nächsten Moment streckte er den Arm aus und deutete in den Menschenstrom, der durch die Gasse zog. Hinter einem Geschäft, in dem Elfenbeinwaren verkauft wurden, bog Amilcar zwischen den Passanten um die Ecke. Er trug einen zusammengerollten Papyrus in der Hand.
»Das ist er«, sagte Rufus zu Anselm und Bent. »Ihm müssen wir folgen.«
Der Weg durch die Stadt war alles andere als einfach. Obwohl die Lehrlinge von den Menschen in der Flut nicht wahrgenommen wurden, wichen sie ihnen doch automatisch aus. Berühren allerdings konnten sie nur Dinge.
Amilcar war das dichte Gedränge offenbar gewohnt. Er lief leichtfüßig und schnell und zur Überraschung von Rufus nicht stadtabwärts zum Hafen, sondern zur Glasmacherwerkstatt. Dort angekommen, eilte er sofort in den Hof.
Auch hier war diesmal alles voller Menschen. Viele Arbeiter waren im Hof und in dem dahinterliegenden Haus beschäftigt. Sie schmolzen Glas in dem Glasofen und standen an den Drehscheiben, auf denen sie mit verschiedenen Werkzeugen und Gerätschaften an dem heißen Material arbeiteten.
Rufus sah Formen aus Ton oder Keramik, in die das Glas mit schweren Metallstempeln gedrückt wurde, sodass es sich beim Drehen in die Formen drückte und an deren inneren Rand verteilte. In die so entstehenden heißen Glasgefäße drückten die
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