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Das Schiff aus Stein

Das Schiff aus Stein

Titel: Das Schiff aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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sogar müssen. Oder du stirbst.«
    Amilcar erwiderte das falsche Lächeln mit einer ehrlichen Frage: »Warum all das?«
    »Oh, das ist einfach. Du bist zu jung, um dich zu erinnern oder es gehört zu haben. Aber im Todesjahr des großen Königs Archidamos von Sparta haben die Herrscher der Stadt Rom eine der zwölf mächtigen Städte der Rasenna angegriffen. In diese werde ich dich bringen.«
    »Von welcher Stadt sprichst du?«, wollte Amilcar wissen. »Und wer sind die Rasenna?«
    »Das wirst du früh genug erfahren«, erwiderte Stratis. »Mein Auftrag ist es, dich zur Quelle des Tiber zu führen und von dort weiter zu einem Fluss, der Richtung Norden führt.«
    »Aber was hat der König von Sparta mit mir zu tun?«
    »Nichts, Junge, gar nichts! Ich wollte dir nur einen Überblick darüber geben, wohin es dich verschlägt und weswegen. Aber du hast offenbar noch nie von Politik oder Zeitrechnung gehört. Es ist nun einmal besser zu wissen, was in der Zeit passiert, in der man lebt. Oder guckst du nur in deine enge Gasse und lauschst darauf, was die Leute dort tratschen? Das ist weniger als die Welt, in der du lebst, Knabe! Viel weniger! Ich dagegen betrachte die ganze Welt und weiß, was in ihr vorgeht! Mein Geist ist weit. Ich weiß um die Routen auf den Meeren, aber ich kenne auch die verschiedenen Wettkämpfe der Olympiade.«
    Amilcar starrte den Griechen an. »Was ist das?«
    Der Grieche spuckte auf die Planken. »Es ist das größte Kräftemessen und Fest, das es gibt. Und wir Griechen haben es erfunden. Vor kaum zwölf Monden hat zum ersten Mal seit Anbeginn der Zeit ein Rennen mit dem Zweigespann von Pferden stattgefunden! Aber ihr Tyrener seid wahrlich blind für die Kultur. Ihr kupfert nur ab und macht nach, was euch an Waren in die Hände fällt. Ihr erfindet nichts, ihr verkauft nur. Wissen ist euch nur Geld und Gewinn. Und wenn es so ist, dann ist es auch nur recht, dass ich einen wie dich zum Verkauf anbiete. Wenn dein vielgerühmter Vater dir nicht mehr beigebracht hat als das, dann sei froh, dass einer wie ich dich aus deinen kümmerlichen Händlerträumen aufweckt. Ihr Tyrener seid doch alle nur Krämerseelen und Geldmacher.«
    »Hör auf, meinen Vater zu beleidigen!«, rief Amilcar.
    Stratis verzog den Mund. »Die Wahrheit zu hören, ist schwer, was?«
    Rufus sah, wie Amilcar rot vor Wut wurde. »Mein Vater war keine Krämerseele. Er war ein Erfinder! Er hat darüber nachgedacht, wie er den Wind ins Glas bringen könnte …«
    Der Grieche lachte laut auf. »Wind im Glas?« Er schüttelte den Kopf. »Hör mir zu, tyrischer Knabe! Die Rasenna schlugen die Römer damals zurück. Aber seitdem sind zwanzig mal zwölf Monde vergangen und die Römer breiten sich immer weiter aus. Ihre Stadt wächst. Und die Stadt der Rasenna nicht! Sie liegt fast wie dein Tyros auf einer Klippe, nur nicht am Meer, sondern über einem Fluss. Ihr Hafen aber liegt weit entfernt an der Küste. Diesen nutzen auch die Römer. Und sie bedrohen ihn, die Römer. Sie fordern ihn allein für sich und ihre Schiffe, und die Rasenna müssen mitansehen, wie sie unbedeutender und unbedeutender werden. Deswegen brauchen sie dein Glas: um es zu verkaufen. Sie brauchen Gold!« Stratis blickte Amilcar prüfend an. »Bei dir zu Hause heißt es, du wärst der beste Glasmacher und du könntest dünneres Glas machen als die anderen. Wenn du mir dieses Geheimnis verrätst, könnte ich dafür sorgen, dass es dir auf der Reise sehr gut geht.«
    Rufus sah, wie Amilcar leise auflachte. »Ich habe dir doch bereits gesagt, dass das ein unerfüllbarer Traum ist. Denn das dünne Glas ist nichts anderes als der Traum vom Wind im Glas!«
    »Hör auf, mich zu belügen!«, schrie der Grieche. »Denk nicht, dass du mich mit solchen Märchen hintergehen kannst.«
    Amilcar stöhnte auf. »Gib mir lieber Wasser! Ich verdurste noch, wenn ich immer dasselbe erzählen muss.«
    »Kein Wasser, Tyrener!«
    Amilcar fuhr in die Höhe: »Bist du der König, zu dem du mich bringen sollst, dass du mir Wasser verweigerst?!«
    »Nein, ich bin sein Bote«, antwortete Stratis. »Oder sagen wir, ich werde dafür belohnt, dass ich vorübergehend sein Bote bin.«
    »Du bist nur ein bezahlter Pirat!«, schrie Amilcar.
    Der Grieche nickte. »Ja, das bin ich. Und ich bin unerkannt in eure schöne Stadt gekommen. Geschickt verkleidet als euresgleichen.«
    Amilcar drehte sich um und sah auf Tyros zurück. Es wurde von der abendlichen Sonne angestrahlt und leuchtete dunkelrot.
    »Sor«,

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