Das Schiff aus Stein
die Glasschmelze.
»Erinnerst du dich, dass ich sagte, die Luft müsse in das heiße Glas?«
»Ja, und du hast auch gesagt, dass das nicht möglich ist.«
»Das dachte ich auch, Hanno. Die Luft muss aus dem heißen Glas nach außen blasen, aus seiner Mitte, so wie der Wind im Feuerberg. Doch wie kann ein Mensch die Luft in die Mitte des Glases bringen? Es ist ganz einfach. Nämlich mit diesem Rohr. Sieh!«
Amilcar tauchte ein Ende des Rohrs in die heiße Glasschmelze. Dann drehte er das Rohr, als wolle er mit einem Stab Honig aus einem Glas nehmen, und zog es schließlich rasch wieder aus der Schmelze heraus. An seiner Spitze klebte jetzt ein Klumpen zähflüssiges Glas.
Amilcars Augen leuchteten. »Es funktioniert!«, rief er freudig.
Geschickt drehte er das Rohr zwischen den Händen, sodass der Glasklumpen sich gleichmäßig verteilte und setzte dann das freie Ende wie eine Flöte an seine Lippen. Dann blies der junge Glasmacher in das Rohr. Der Luftstrom drang durch sein Instrument in das heiße, zähe Glas und plötzlich begann sich dieses von innen zu weiten.
»Es ballt sich wie ein Segel im Wind«, flüsterte Hanno.
»Ja!«, jubelte Amilcar, der das Rohr abgesetzt hatte. »Man kann das Glas blasen! Hanno! Mein Vater hatte recht! Seine Idee ist richtig!« Er setzte das Rohr wieder an und blies weiter. Immer, wenn die Glasmasse zu kühl und damit fest zu werden drohte, hielt er sie über das lodernde Feuer, damit sie sich wieder erhitzte und weicher wurde. Das Glas wurde dünner und dünner. Schließlich ließ Amilcar das Rohr sinken.
»Und nun stell dir vor, dass ich es in ein Gefäß aus Ton blase. Dann wird das dünne Glas sich hineinlegen wie ein Tuch, das sich anschmiegt, und wird dessen Form annehmen. Und vor allem kann ich es so dünn blasen, wie mein Atem nur hergibt!« Er packte Hanno an den Schultern. »Das ist unser Weg in die Freiheit! Hör mir gut zu. Ich werde ein Glas machen, wie nur ich es jetzt kann. Und dieses Glas werde ich meinem Onkel schicken. Er wird es erkennen. Und er hat das Geld, uns zu befreien. Er wird uns Hilfe schicken oder selbst hierherkommen.«
»Aber wie soll das Glas denn zu ihm kommen?«, fragte Hanno erschrocken. »Alles Glas, das du herstellst, musst du dem König abliefern. Und der verkauft es, wohin er will. Und selbst wenn es auf wundersamen Wegen zu deinem Onkel gelangte, woher sollte er dann wissen, wo du bist? Ja, du könntest ihm schreiben, aber nichts Geschriebenes darf diese Werkstatt verlassen.«
»Ich werde ihm trotzdem schreiben«, lächelte Amilcar entschlossen.
»Aber wie soll das gehen?«, wiederholte Hanno. »Wir werden bewacht und du darfst die Stadt nicht verlassen. Du hast kein Geld und niemand wird eine Botschaft überbringen, denn jeder, der aus der Werkstatt kommt, wird genau untersucht. Es ist ein Gefängnis, aus dem nichts herauskann, was die Rasenna nicht herauslassen wollen. Wie also soll es gehen?«
»Wie der Wind«, flüsterte Amilcar, und für einen Moment strahlte sein müdes Gesicht Zuversicht aus. »Ein Bote des Königs wird meinem Onkel höchstpersönlich meine Nachricht überbringen. Ohne es zu wissen! Ich habe schon lange alles bedacht, Hanno! Es ist nur eine Frage der Planung und der Zeit. Und nun gib mir diese Tonvase da, ich muss üben, das Glas in eine Form zu blasen.«
Der junge Glasmacher ergriff wieder sein Blasrohr und wandte sich dem Feuer zu. Dann verblasste das Bild und im nächsten Moment war die Flut verschwunden.
Am Grund des Flutkanals sah No die anderen mit großen Augen an. »Mann, das ist doch der Oberhammer! Dieser Amilcar hat die Glasbläserei entdeckt! Und wir waren dabei! Er hat von ganz allein eins und eins zusammengezählt und die Glasbläserei entdeckt. Das ist absoluter Wahnsinn! Wir haben eben gesehen, wie ein Mensch sich etwas ganz und gar Neues ausgedacht hat. Er ist einfach so darauf gekommen! Mit seiner Vorstellungskraft. Das ist so, als wenn ich jetzt gerade mal eben das Rad entdeckt hätte oder so!«
Filine sah No mit leuchtenden Augen an. »Ja! Und er hat das Erbe seines Vaters wirklich fortgeführt.«
Auch Rufus konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Gleichzeitig fieberte er vor Aufregung, wie die Flut wohl weitergehen würde.
Das schien auch Anselm zu beschäftigen. »Aber wie will er entkommen?«, fragte er aufgeregt. »Dieser Hanno hat in allem recht. Glas ist doch keine Waffe und sie haben sonst nichts in der Hand.«
»Man braucht doch keine Waffen, um zu fliehen, sondern
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