Das Schiff aus Stein
wollte Rufus wissen.
»Amilcar, er hat sich verändert«, flüsterte Filine wieder. »Er hat Verantwortung übernommen. Zuerst war er nur traurig, weißt du noch? Aber jetzt kümmert er sich um die Menschen, mit denen er lebt. Er scheint wirklich etwas für Hanno tun zu wollen, obwohl er nur ein Sklave ist. Und er gibt nicht auf! Er will nicht in Gefangenschaft leben. Amilcar hat die Freiheit als hohes Gut entdeckt!«
Rufus nickte. Und auch Bent und Anselm sahen Filine zustimmend an.
»Seit er in Gefangenschaft ist«, meinte Bent, »hat er ein Ziel. Er will etwas verändern.«
»Mir tut er leid«, sagte Anselm leise. »Ich glaube nicht, dass er hier je wieder rauskommt. Er ist allein und so weit weg von zu Hause. Und das Einzige, was er machen kann, ist Glas! Wie soll ihm das helfen können?«
»Er muss einen Plan haben«, sagte Rufus.
»Einen Plan mit Glas? Mit Glas kann man keine Soldaten besiegen und keinen König, der dich gefangen hält«, murmelte Anselm.
»Warum nicht?«, fragte No. »Es müsste nur ein guter Plan sein!«
Wieder wechselte die Flut. Und als sie diesmal wiederkehrte, lag die Werkstatt in tiefer Nacht einsam da. Durch die Tür pfiff ein kalter Wind. An den Wänden standen Dutzende von fertigen Glasgefäßen. Hanno kam durch die Tür. Der Wachtposten, der diesmal dort stand, war ein anderer als zuvor. Aber auch er trug ein Schwert. Er durchsuchte Hanno genau, bevor dieser eintreten durfte.
»Keine Nachrichten, nichts Geschriebenes!«, sagte er. »Gut, du darfst eintreten, Sklave des Glasmachers. Aber was ist das?« Er deutete auf ein langes Eisenrohr, das Hanno in der Hand hielt.
»Das dient meinem Herrn zum Arbeiten, ich weiß nicht, wie«, antwortete Hanno.
Der Wachtposten musterte das Rohr. Dann zuckte er die Schultern. »Es darf den Raum nicht wieder verlassen. Nur das Glas darf die Werkstatt verlassen.«
»Ich weiß! Und mein Herr weiß es auch«, sagte Hanno. »Niemals wird etwas anderes als Glas diese Werkstatt verlassen.«
Hanno trat ein und ging zu Amilcar, der auf seinem Lager lag und zu schlafen schien. Er fasste ihn an der Schulter. »Amilcar!«
Der junge Glasmacher schlug die Augen auf. »Ist es schon Morgen? Dann müssen wir König Laris das Glas bringen. Er hat mich mahnen lassen.«
»Nein, Amilcar. Es ist mitten in der Nacht. Ich habe dir die eiserne Flöte ohne Löcher gebracht.«
Amilcar fuhr in die Höhe.
»Beruhige dich, Amilcar. Der Wachtposten beobachtet uns.«
Amilcar sank zusammen. Aber dann sagte er leise. »Zeig sie mir!«
Hanno reichte ihm das lange Metallrohr und Amilcar ließ es prüfend durch seine Hände gleiten.
»Fast acht Monde hat es gedauert, Hanno. Aber das könnte es sein. Allerdings fürchte ich, dass uns nicht viel Zeit bleibt. Die Römer werden diese Stadt bald wieder angreifen. Die Arbeiter flüstern darüber, und König Laris will das Glas in immer kürzeren Abständen und immer größeren Mengen. Die Römer wollen dieses Land, den Hafen Ostia und das Salz für sich. Und die Vejenter haben bereits zwei Kriege gegen sie geführt. Der dritte wird ihr Schicksal besiegeln, auch wenn sie ihre Stadt für uneinnehmbar halten. Doch das ist sie nicht! Sie hat eine hohe Mauer, aber all die Bewässerungstunnel sind Wege in die Stadt. Man sieht sie nicht, wenn man sie nicht kennt. Doch diese Gänge sind da! Und wir müssen sie nutzen, um zu entkommen, ehe die Römer sie nutzen werden, um Veji zu erobern.«
Hanno stutzte bei dem, was er hörte. Doch plötzlich leuchteten seine Augen auf. »Das ist ein guter Plan, Amilcar. Durch die Wassertunnel könnten wir wirklich fliehen.« Dann wurde sein Blick dunkel. »Aber wie sollen wir das Land verlassen? Die Schiffe der Rasenna werden uns nicht von hier fortbringen, jeder erkennt uns als geflohene Gefangene. Und selbst wenn wir einen Römer dazu bringen würden, uns nach Tyros zu segeln, wir hätten nicht genug Geld. Du bist arm und ich bin noch ärmer. Und wir können nicht genug Glas von hier wegtragen, um uns damit die Passage zu erkaufen.«
»Du hast recht«, stimmte ihm Amilcar zu. »Und deswegen werden wir uns Hilfe holen müssen, Hanno.«
»Hilfe holen? Aber wie denn und womit?«
»Das werde ich dir zeigen. Du selbst hast mich darauf gebracht, Hanno. Mit deinem Flötenspiel und als du mir die Glasinseln gezeigt hast. Jetzt werde ich den ersten Schritt tun. Hoffen wir, dass er gelingt. Nun werden wir sehen, ob meine Idee Wirklichkeit werden kann.«
Amilcar erhob sich und trat mit dem Rohr an
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