Das Schiff der Abenteur
nicht weit von hier. Ob deine Tante uns erlaubt, daß wir zusammen hingehen?«
Frau Mannering befand sich in Gesellschaft der anderen Passagiere, die an Land gegangen waren, hielt jedoch ein wachsames Auge auf die Kinder. Lucy verließ mit Lucius den Laden und sah sich draußen nach ihr um.
Bald entdeckte sie sie in einem seltsamen kleinen Hof an der Straße unter einem großen schattigen Baum, wo sie sich an einem kühlen Trank erquickte.
»Tante Allie, ich möchte Philipp gern ein Flaschenschiff zum Geburtstag schenken«, begann Lucy sogleich. »Nun hat Lucius gehört, daß es hier in einem Fischerhaus ein solches Schiff geben soll. Darf ich mit ihm hingehen, um es anzusehen?«
»Ja, geht nur«, sagte Frau Mannering lächelnd.
»Aber bleibt nicht zu lange fort. Ist es weit von hier, Lucius?«
Lucius schüttelte den Kopf. »Ach wo! Das Haus liegt direkt hinter dem Markt.« Die beiden Kinder machten sich also auf den Weg. Auf dem Markt stolperten sie über ein paar verirrte Hühner und gerieten zwischen eine Ziegen-herde. Dann bogen sie um eine hohe kahle Mauer und gelangten auf einen großen abschüssigen Platz, um den mehrere kleine Steinhütten standen.
Lucius ging auf eine von ihnen zu und rief etwas zur offenen Tür hinein. Von drinnen antwortete eine heisere Frauenstimme. »Willst du mit hineinkommen, Lucy?« fragte Lucius. »Es wird wahrscheinlich nicht gut riechen.«
Lucy hatte keine große Lust, die Hütte zu betreten, hielt es aber für unhöflich, die Einladung abzulehnen. Sie stapfte über eine dicke Henne, die auf der Schwelle hockte, und betrat einen kleinen dunklen Raum, in dem es nach schmutzigen Kleidern, Rauch und Essen roch.
Auf einem Schemel saß eine dicke alte Frau.
»Dort steht das Schiff in der Flasche!« Lucius zeigte auf ein steinernes Wandbrett im Hintergrund der Hütte. Darauf sah Lucy einen zerbrochenen Topf, einen alten Kno-chen — und eine liegende Flasche. Sie ging näher, um zu sehen, ob wirklich ein Schiff darin war. Die Flasche war jedoch so verrußt und beschmutzt, daß sie nichts erkennen konnte.
Lucius sagte etwas zu der alten Frau, nahm die Flasche herunter und ging, von Lucy gefolgt, vor die Tür. Er wischte die Flasche mit seinem Taschentuch ab und hielt sie gegen das Licht, damit Lucy durchsehen konnte.
»Siehst du das Schiff?« rief er triumphierend. »Wir werden die Flasche gründlich mit Seifenwasser abwaschen müssen, damit der Schmutz abgeht. Das Schiff ist wun-derschön geschnitzt. Es wird Philipp sicher gefallen. Ich verstehe allerdings nicht recht, warum er sich ausgerechnet ein Schiff in einer Flasche wünscht.«
»Oh, das verstehe ich sehr gut.« Lucy hielt die Flasche dicht vor die Augen. »Ich wünsche mir auch oft hübsche und seltsame Dinge, die eigentlich zu nichts zu gebrauchen sind. Eine Freundin von mir besaß einmal eine Glaskugel, in der ein kleiner Mann eingeschlossen war.
Wenn man sie schüttelte, wirbelte es darin von Schnee-flocken, so daß das Männchen schließlich ganz davon bedeckt war. Diese Kugel liebte ich sehr. Daher kann ich mir auch gut vorstellen, warum sich Philipp ein Schiff in der Flasche wünscht.«
»Soll ich die alte Dame fragen, ob sie die Flasche verkaufen will?« fragte Lucius. »Sie ist gesprungen und ver-schmutzt, also nicht viel wert.«
»Ja, frage sie bitte. Du weißt ja, wieviel Geld ich besitze. Das kann ich alles ausgeben.«
Lucius ging mit der Flasche in die Hütte zurück und wäre drinnen fast über zwei Hühner gestolpert. Lucy zog es vor, draußen in der frischen Luft zu bleiben. Gespannt lauschte sie auf die erregten Stimmen, die zu ihr heraus-schallten. Da die Verhandlung auf griechisch geführt wurde, konnte sie jedoch nichts verstehen.
Nach einer Weile kam Lucius wieder aus der Hütte heraus und hielt die Flasche triumphierend in die Höhe.
»Da ist sie! Ich habe nur die Hälfte deines Geldes ausgegeben. Die alte Dame brauchte dringend Geld, hatte jedoch Bedenken, was ihr alter Großvater zu dem Verkauf des Flaschenschiffes sagen würde. Denn es ist schon seit undenklichen Zeiten im Besitz ihrer Familie. Da der Großvater aber schon lange tot ist, wird er wohl nichts dagegen haben.«
Lucy nahm die Flasche behutsam in beide Hände.
»Vielen Dank, Lucius. Ich werde mir ein Stück Papier be-sorgen und die Flasche darin einwickeln, damit Philipp sie nicht sieht. Hoffentlich freut er sich darüber. Es ist ein aufregendes Geschenk, nicht wahr?«
Das Schiff in der Flasche sollte den Kindern jedoch
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