Das Schiff der Abenteur
den Rest der Schokolade hinunterschluckte. »Ich muß jetzt fort. Vielen Dank dafür, daß ihr mir alles erzählt habt. Was ist denn eigentlich mit eurem Schiff passiert? Es ist ja gar nicht mehr in der Flasche.«
»Micki und Kiki haben die Flasche zerbrochen«, erzählte Jack. »Aber das Schiff ist schließlich auch ohne Flasche schön.«
Als Lucius die Kabine verlassen hatte, grinsten die Kinder sich an. Den hatten sie gründlich reingelegt! Allerdings hatte er sie auch förmlich dazu herausgefordert.
»Jetzt wird er die Geschichte brühwarm seinem Onkel weitererzählen«, sagte Jack lachend. »Kommt an Deck!
Ich brauche dringend frische Luft, sonst ersticke ich noch.
Wir wollen Lucy suchen und irgend etwas spielen.«
Sie vergnügten sich den ganzen Vormittag über auf dem Sportdeck. Als es zum Mittagessen gongte, eilten sie hungrig in den Speisesaal. Zu ihrer Überraschung fehlte Lucius bei Tisch. Sie fragten seine Tante, ob er krank wäre.
»Ach nein — krank gerade nicht«, antwortete sie ein wenig verlegen. »Er ist wohl etwas zuviel in der Sonne gewesen und hat Kopfschmerzen.«
»Wir wollen Lucius in seiner Kabine besuchen«, schlug Jack nach dem Essen vor. »Bisher hat ihm die Sonne doch nie was geschadet.«
Sie gingen hinunter und klopften an seine Tür. Als niemand antwortete, ging Jack hinein. Lucius lag auf dem Bett und hatte das Gesicht im Kopfkissen vergraben.
»Schläfst du, Lucius?« fragte Jack leise.
Lucius fuhr auf. »Ach, du bist es!« Sein Gesicht war geschwollen. Offenbar hatte er geweint.
»Was fehlt dir?« fragte Jack. »Können die anderen auch hereinkommen? Sie stehen draußen vor der Tür.«
»Wenn sie wollen ...« Lucius war offenbar nicht begeistert über den Besuch, wagte jedoch nichts zu sagen.
Bald waren alle vier in der Kabine. Lucy blickte dem Jungen mitleidig in das geschwollene Gesicht. »Ist der Sonnenstich sehr schlimm?« fragte sie sanft.
»Ich habe keinen Sonnenstich.« Zum Befremden der Kinder füllten sich die Augen des Knaben mit Tränen.
»Oh, mein abscheulicher Onkel!« Wieder vergrub er sein Gesicht im Kopfkissen.
»Was hat er dir denn getan?« fragte Jack ungerührt. Er konnte unmöglich Mitgefühl für einen Jungen aufbringen, der sich so kläglich aufführte.
»Er hat mich furchtbar beschimpft.« Lucius richtete sich auf. »Einen nichtsnutzigen Bengel hat er mich genannt, einen Dussel ...«
»Dussel!« rief Kiki frech. »Dussel!«
»Nun fang du nicht auch noch an!« schalt Lucius. »Er sagte, ich wäre ein Idiot, ein Esel, ein Kamel . . .«
»Aber warum bloß?« fragte Lucy verwundert.
»Weiß ich? Ich erzählte ihm die Geschichte, wie Lucy das Pergament fand. Er wollte ja durchaus wissen, wie ihr zu dem Ding gekommen seid. Aber anstatt sich zu freuen, daß ich es so schnell herausbekommen hatte, wurde er furchtbar wütend.«
»Na so was!« rief Philipp. Seiner Meinung nach hatte Lucius Strafe verdient. Warum mußte er auch sofort zu seinem Onkel laufen und ihm das Märchen weitererzählen, das sie ihm aufgebunden hatten! Gerade das hatten die Kinder allerdings beabsichtigt. Aber der elende Schwätzer war selber schuld daran, daß er so prompt in die Falle gegangen war.
»Ich sagte zu ihm: Eine Möwe hatte das Pergament im Schnabel und ließ es Lucy direkt vor die Füße fallen«, er-zählte Lucius. »Da rief er: ,Was?'. Deshalb wiederholte ich dasselbe noch einmal.«
»Und was sagte er darauf?« Jack gab sich große Mühe, nicht laut herauszuplatzen.
»Er beschimpfte mich entsetzlich. Warum wollte er mir bloß nicht glauben? Schließlich hat er mir doch sonst alles geglaubt, was ich ihm erzählte.«
»Was hast du ihm denn sonst noch erzählt?« fragte Jack schnell.
»Ach, nichts Besonderes. Er wollte nur wissen, ob ich mit euch Einkäufe gemacht hätte, was ihr gekauft hättet und in welchen Geschäften. Ich erzählte ihm von dem Kauf des Flaschenschiffes. Da rief er plötzlich: 'Ach, na-türlich, die Andra, die Andra!' Er benahm sich wirklich sehr sonderbar.«
Die Kinder hörten schweigend zu. Herr Eppy hatte Lucius bestimmt nicht ohne Grund ausgefragt. Jetzt wußte er, wo sie das Schiff gekauft hatten. Er erinnerte sich an den Namen des Schiffes »die Andra!« — und zog seine Schlüsse. Wahrscheinlich hatte er bereits erraten, daß das Pergament aus dem Schiff stammte. Denn Lucius hatte doch sicher auch ausgeplaudert, daß es nicht mehr in der Flasche steckte.
»Hast du deinem Onkel erzählt, daß die Flasche zerbrochen ist, in der
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