Das Schiff der Hoffnung
vor?«
Saluzzo blickte auf seine goldene Armbanduhr. Die Manschettenknöpfe blitzten, sie waren aus Diamanten.
»In drei Stunden legen wir wieder ab und fahren zur jugoslawischen Küste.«
»Ich denke, es soll ein Arzt an Bord kommen und Claudia untersuchen?«
»Ach ja, der gute Professor. Da ist eine kleine Verzögerung eingetreten. Er wurde abgerufen zwischen meinem ersten und meinem zweiten Telegramm. Aber das ist nicht wichtig. Er wird in ein paar Tagen an Bord kommen.«
»Sie wollen uns nicht nach Dubrovnik bringen?« Hellberg sprang auf. »Wo fahren Sie mit uns hin?« schrie er.
»Claudia wird untersucht werden«, sagte Saluzzo höflich und machte in Richtung des zurückgewichenen Mädchens eine kleine Verbeugung. »Und wenn es nötig ist, werden wir dieses HTS aus Sarajewo besorgen. So viel, wie sie braucht. Allerdings, Signore Hellberg, werden Sie dann nicht mehr an Bord sein. Ich nehme an, daß Sie dann bereits vor der Küste der Cyrenaika kreuzen und auf ein Schiff aus Libyen warten.«
»Sie sind wahnsinnig, Saluzzo«, sagte Hellberg heiser vor Erregung. »Was soll ich in Afrika?«
»Lassen Sie sich überraschen, Signore.« Saluzzo lächelte charmant. »Es ist meine Art, meine Gäste mit unvorhergesehenen Situationen zu unterhalten.« Saluzzo ging zur Tür zurück, ein eleganter, mit sich äußerst zufriedener Teufel. »Etwas kann ich Ihnen garantieren, Hellberg«, sagte er, bevor er hinaus in den Gang trat. »Sie werden Gelegenheit haben, von diesen Tagen einen Sensationsbericht zu schreiben. Bedauerlich nur, daß ihn niemand lesen wird!«
Die Tür klappte zu.
Hellberg stand starr mitten in der Kabine. Claudia hatte sich in die hinterste Ecke gedrückt, wie ein getretenes Hündchen.
Die Kampfansage war erfolgt. Keinen Zweifel gab es mehr über die Gnadenlosigkeit Saluzzos.
Afrika. Die Cyrenaika. Libyen.
Wohin trieb dieses Abenteuer, in das sich Hellberg eingelassen hatte? Was brachte der nächste Morgen?
Claudia und Frank schraken zusammen. Über ihnen, in der Decke, ertönte ein Lautsprecher.
»Bitte zum Diner, Signorina und Signore. Es ist gedeckt auf dem Oberdeck.«
»Gehen wir, Liebling«, sagte Hellberg rauh und faßte Claudia unter. »Und Kopf hoch, mein Kleines. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als mutig zu sein.«
Gegen Mittag schon sprach es sich herum, was an der Molo Foraneo geschehen war. Große Aufregung herrschte unter den Fahrgästen, die für diesen Tag ihre Überfahrtbilletts in der Tasche hatten, vor allem aber bei den Autofahrern, die ihren Wagen hinüber nach Dubrovnik bringen wollten.
Das große Fährschiff ›Sveti Stefan‹ hatte einen Motorschaden. Die Reparaturen dauerten mindestens drei Tage, da Ersatzteile aus Jugoslawien herangeholt werden mußten. Statt des großen Schiffes fuhr nun ein viel kleineres über die Adria nach Dubrovnik. Ein altes, klappriges, ungepflegtes schwimmendes Museum, das sich ›MS Budva‹ nannte. Es machte den Eindruck, als habe es zehn Jahre irgendwo in einer Hafenecke gelegen und still vor sich hin gerostet. Ein paar Farbtöne, schnell über das Schiff verspritzt, sollten nun die Tüchtigkeit für eine Seefahrt vortäuschen. Schlimmer noch aber war die Tatsache, daß die ›Budva‹ nur fünfzehn Autos mitnehmen konnte und nicht, wie bei der schönen ›Sveti Stefan‹, auf einem besonderen Autodeck; vielmehr müßten die Wagen mit einem Kran an Oberdeck gehievt und dort mit Stricken vertäut werden.
»Nun wird der Mist komplett!« sagte Karl Haußmann, als er vor dem großen Einfahrtstor zum inneren Hafen die Polizeiabsperrung sah und schon von weitem das vielfache Geschrei protestierender Reisender hörte. Mit Marion Gronau war er noch einmal zum Hafen gefahren, um zu erfahren, wann die Einschiffung begann. Erika hatte sich etwas hingelegt, die Aufregung der vergangenen Tage war doch zuviel für sie. Außerdem hatte das Schicksal der schönen, jungen Griechin in dem Wohnwagen sie mehr ergriffen, als sie es wahrhaben wollte. So werde auch ich einmal daliegen, hatte sie gedacht. Aber ob Karl so um mich trauern wird wie der arme Euponopolos? Ein häßlicher Gedanke, Erika wehrte sich dagegen, aber sie konnte ihn nicht abschütteln. Karls Haltung gegenüber Marion Gronau war in den letzten Tagen eher unhöflich als reserviert, und Marion schien erkannt zu haben, daß es sinnlos war, ihr Spiel – denn weiter war es nichts – fortzusetzen. Aber ganz tief im Herzen blieb doch ein Stachel, eine Wurzel der Eifersucht, die niemand
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