Das Schiff der Hoffnung
wenn es nicht gelänge, auch Sarajewo zu erreichen!«
Das klang mutig, aber nicht sehr hoffnungsvoll. Denn nicht auf den Satan kam es jetzt an, sondern auf die jugoslawischen Behörden und Kommissare, die bereits von Titograd aus unterwegs nach Ulcinj waren.
Die ›MS Budva‹ lief in den herrlichen, neuen Hafen von Dubrovnik ein wie ein Luxusvergnügungsschiff. Die trutzige Burg der Altstadt leuchtete mit roten Quadern in der Abendsonne, am Quai der Neustadt glänzten die Fenster der Hotelpaläste, im Jachthafen gingen die Lichter auf den vielen, kleinen Motorbooten an, und vom Hotel ›Petka‹ klang Musik über das Wasser bis hinüber zur ›MS Budva‹. Die grünen Hänge hinauf zogen sich die Villen und weißgetünchten Häuser, am Ende des Hafens ankerten Schiffe der jugoslawischen Kriegsmarine, die Fassade des großen Kaufhauses ›Minceta‹ blitzte mit ihren Fenstern, und in den Gärten über der Steilküste wiegten sich Pinien, Apfelsinenbäume, Palmen und Zitronenbäume im Wind, der vom Meer kühlend über die schönste Stadt Jugoslawiens strich.
In die Passagiere war nun Unruhe gekommen. Die Ausschiffung stand kurz bevor, nach der unplanmäßigen Freude eines Sonnentages auf See kam nun der Alltag, der Ernst der Reise wieder. Weiter nach Sarajewo, weg vom Schiff der Hoffnung zum Zug oder Bus der Hoffnung oder mit dem eigenen Wagen auf die Straße durch den Karst der Herzegowina, durch ein ödes, heißes, feindliches Land.
Die Koffer wurden an Deck getragen, die Planen von den vertäuten Wagen gezogen, die Kräne schwenkten bereits ein. Die Passagiere standen an der Reling und sahen hinüber auf die in der Abendsonne wie brennende Stadt, ein Anblick, den sie nie vergessen würden in seiner wilden Schönheit.
Unter Deck schrie Lord Rockpourth wieder herum. Er war, allen Erwartungen zum Trotz, nicht wieder in Agonie gefallen, sondern kommandierte seine Ausschiffung selbst. Er rief nach Karl Haußmann, der aber oben neben seinem Wagen stand und dem Kranführer 1.000 Dinare in die Hand drückte, damit er den Wagen als ersten an Land setzte. So eine Sprache ist international, auch in einem kommunistischen Land, und der Kranführer nickte und tippte mit dem Zeigefinger an die Mütze.
Zuerst aber gab es eine Stockung. Kurz vor der Mole blieb die ›MS Budva‹ liegen, und ein Polizeiboot kam längsseits. Vier Offiziere kletterten an Strickleitern an Bord und wurden vom Kapitän empfangen. Es war eine frostige Begrüßung, aber man hatte auch keinen Bruderkuß erwartet.
Der I. Offizier war es, der Karl Haußmann von seinem Wagen wegholte zum Verhör. Die ›Budva‹ durfte nicht eher anlegen, bis man die Vorfälle an Bord geklärt hatte. Eine Art ›Quarantäne‹ war über sie verfügt worden.
In seiner Kabine tobte Lord Rockpourth. Er verlangte ein Blitzgespräch mit dem britischen Botschafter in Belgrad und beschimpfte den Polizeioffizier wild, weil dieser nur den Kopf schüttelte.
Karl und Erika Haußmann saßen unterdessen vor einem Polizeihauptmann und machten über einen Dolmetscher, der ein miserables Deutsch sprach, ihre Aussagen über den Irren Uve Frerik. Dann war auch dies alles aufgeschrieben worden, die ›Budva‹ konnte anlegen, das Fallreep wurde heruntergelassen, und als erstes kamen drei Särge an Bord und verschwanden mit ihren Trägern unter Deck. Die Zollbeamten folgten, die Paßkontrolle, merkwürdigerweise auch ein paar Soldaten unter der Führung eines Leutnants. Sie verhafteten den Kapitän der ›Budva‹, aber keiner bemerkte es, denn der Drang, an Land zu kommen, war jetzt so groß, daß niemand mehr einen Blick für seine Umwelt hatte.
In Dubrovnik!
Die zweite Station auf dem Weg nach Sarajewo. Zu den Wunderpillen HTS des Dr. Zeijnilagic! Zum wiedergeschenkten Leben!
Dubrovnik.
Der Hafen der Freude, die Stadt im Grünen, der Stolz der Küste. Aber in diesen Wochen Ankerplatz des Elends und Station zitternder Hoffnung.
Karl Haußmann stand neben seinem Wagen, der eben vom Kran auf die Mole geschwenkt war, und kam sich glücklich vor. Er sah Erika im Strom der anderen Passagiere über das Fallreep von Bord gehen, vorbei an den grüßenden Offizieren der ›Budva‹ und den Zoll- und Paßbeamten. Oben, auf der Treppe der Brücke und des Kapitänhauses, saß Dr. Mihailovic und weinte. Man hatte ihm eröffnet, daß er seine ärztliche Approbation entzogen bekäme. Nun war er ein vernichteter Mann und beschloß insgeheim, sich mit wissenschaftlicher Gründlichkeit
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